Einfach

Erfolgreich führen

von Thomas Hochgeschurtz, erschienen im März 2012 im ikotes Verlag

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Im zweiten Teil der Tim-Simon-Reihe stellt sich Tim der Herausforderung, ein Unternehmen am Standort Deutschland zu erhalten. Der Betrieb steuert auf eine Katastrophe zu, aber schlechte Kennzahlen, mangelhafte Qualität und flüchtende Kunden werden weiter ignoriert. Demotivierte Mitarbeiter und Vorgesetzte, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, stellen nicht die einzige Bedrohung dar. Auch von außen drohen Gefahren für das Unternehmen. Auf den ersten Blick wird das alles andere als einfach. Doch bevor Tim endgültig verzweifelt, kehrt eine alte Freundin zurück … Wie schon im ersten Teil werden Sie in Tims Geschichte Ihre eigenen Kollegen, Vorgesetzten und Manager wiedertreffen vielleicht sogar sich selbst. Lernen Sie gemeinsam mit Tim, wie sich für komplizierte Situationen einfache Lösungswege erfolgreich umsetzen lassen.

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Leseprobe

Teil 1: Waldkirch

01 – Der Konflikt

Der Hemdkragen bildete einen beißenden Kontrast zu Dieter Menks Halsfarbe und ließ nichts Gutes erwarten. Die Stimme der jungen Prozessingenieurin klang verunsichert. „Technisch gesehen dürfte das eigentlich kein Problem sein, aber eine weitere Investition lässt sich wahrscheinlich nicht umgehen.“

Menk brüllte unvermittelt los: „So was muss ich mir nicht antun. Das ist doch alles scheiße. Sie stehlen mir meine Zeit mit Ihrem eigentlich und wahrscheinlich.“

Angst kroch durch den Raum. Tims Blick durch die Runde offenbarte ihm, dass die Kollegen zu Boden schauten und jeder hoffte, nicht das nächste Opfer von Menks Wutausbruch zu werden. Die Hände der Prozessingenieurin zitterten und ihre Augen glänzten mehr als ihr lieb war. Wimperntusche und Tränen bahnten sich ihren Weg.

„Jetzt heult die Tusse auch noch“, schrie Menk und schlug mit der Faust auf den Tisch. Geschockt rannte der Puls aller Anwesenden, aber äußerlich ließ sich keiner etwas anmerken. „Wer hat mir die angeschleppt?“ Menk forschte durch die Reihe seiner Führungskräfte. Keiner blickte zu ihm auf, bis er zu Tim kam. „Was starren Sie mich so an? Hab ich die Ihnen zu verdanken?“ Tim holte Luft, aber Menk wollte keine Antwort hören. „Bin ich hier nur von Pfeifen umgeben? Muss ich alles selber entscheiden?“ Die nachfolgende Stille war alles, nur nicht himmlisch.

Eine Antwort brach das Schweigen: „Jede Führungskraft hat die Mitarbeiter die sie verdient.“

Menk schnellte herum und blickte auf Tim. „Was haben Sie gesagt? Habe ich Sie zum Sprechen aufgefordert?“

„Wir sollten auf die Sachebene zurückkehren“, nutze Tim die Sekunde Aufmerksamkeit, die er gewonnen hatte.

„Wer hier wohin zurückkehrt, entscheide immer noch ich.“ Menk baute sich bedrohlich vor ihm auf. In den Augenwinkeln konnte Tim die Schadenfreude seiner Kollegen erkennen. Eigene Dummheit, dass es ihn erwischt hatte.

Dieter Menks Spitzname bei Maertens Folien war „der Choleriker“, aber Tim hatte in den letzten sechs Monaten keinen Anlass zur Beanstandung gegeben. Er war nie Opfer von Menks Ausbrüchen geworden.

Auch wenn Tim ahnte, dass seine Intervention ihm zum Nachteil gereichte, wollte er das Niedermachen der jungen Mitarbeiterin nicht tatenlos hinnehmen. In seiner Welt hatte Führung mit Wertschätzung zu tun.

Nach dem Verkauf des Maertens Folienwerkes in Waldkirch an die Gotar Holding hatte Tims damaliger Chef Maertens verlassen. Dieter Menk war kurz darauf neuer Werksleiter und sein Vorgesetzter geworden. Seitdem hatte Menk die direkte Kommunikation mit der Muttergesellschaft Gotar bei sich zentralisiert und alle Entscheidungen zur Chefsache gemacht. Tim hätte nie gedacht, dass es so schnell und einfach möglich war, einen engagierten und ehrgeizigen Mitarbeiter wie ihn zu demotivieren.

Tatsächlich hatte Tim erstmals in seinem Berufsleben Spuren von Demotivation an sich selbst entdeckt. Sein bisher einziger Unternehmenswechsel von Brackets zu Maertens war zwar auch nicht nur aus Spaß erfolgt, aber es war mehr die Herausforderung, die ihn zu Maertens getrieben und nicht Demotivation, die ihn bei Brackets vertrieben hatte.

Um die Situation zu entspannen, sprach Tim mit ruhiger Stimme: „Lassen Sie uns das im kleinen Kreis besprechen.“ Weiter kam Tim nicht, da Menks Kopfinnendruck, zumindest der Farbe nach, kein weiteres Wort duldete.

„Haben Sie was mit der? Oder sind Sie neuerdings auch ein Freund von Scheiße, wie Ihre stumpfen Kollegen.“

Tim ließ Menk nicht aus den Augen: „Herr Menk, lassen Sie uns auf die Sachebene zurückkehren.“

„Ich war auf der Sachebene, bis Ihr mir diese, diese… Mir fällt kein passendes Wort für so viel Unfähigkeit ein.“ Tim stand auf und blickte in die Augen von Menk.

„Wir können auf der Sachebene diskutieren, aber Beleidigungen hinnehmen ist nicht Teil meines Arbeitsvertrages.“ Tim ging zur weinenden Prozessingenieurin und ermunterte sie, mit ihm den Raum zu verlassen.

„Tim Simon, wenn Sie diesen Raum verlassen, zerreiße ich Ihren Arbeitsvertrag in tausend Stücke“, brüllte Menk.

Tim nahm die Prozessingenieurin an seine Seite und führte sie aus dem Besprechungsraum. In der Tür drehte er sich ein letztes Mal herum. „Herr Menk, jeder Vorgesetzte hat die Mitarbeiter, die er verdient.“

02 – Der Minister

„Ich will diesen Kerl nicht mehr sehen“, polterte Dieter Menk ins Telefon. Peter von Marienthal, einer der drei Geschäftsführer und Inhaber der Gotar Holding hielt den Hörer vom Ohr.

„Bei Ihrer Lautstärke brauchen wir nicht zu telefonieren, da höre ich Sie auch so hier in Rüdesheim.“ Vielleicht war er durch das Geschrei seines jüngsten Sohns lärmempfindlicher geworden. Vielleicht war er auch nur generell von Dieter Menk genervt. Er wollte Menk damals nicht einstellen, aber sein Bruder Heinrich hatte ihn gedrängt, den durchsetzungsstarken Manager von einem anderen Folienhersteller abzuwerben.

Da Heinrich morgens wieder einmal nicht zur Arbeit erschienen war, hatte Peter nun Menks Klage über Tim Simon am Hals.

Peter von Marienthals Gedankenwelt drehte sich aktuell allerdings um andere Probleme. Von den vier Beteiligungen der Gotar Holding warfen zurzeit nur die Maertens Folien in Waldkirch und die Standardfolien in Darmstadt Gewinne ab. Die Spezialfolien in Wiesbaden und das Chemiewerk in Offenbach schrieben seit Jahren Verluste. Zu allem Überfluss hatte der Werksleiter aus Wiesbaden vor wenigen Tagen einen Schlaganfall erlitten. Nun war der Standort führungslos, bis seine Mutter Sofia, sein Bruder Heinrich und er einen Nachfolger benannt hatten.

„Was werfen Sie Herrn Simon konkret vor?“

„Er untergräbt meine Autorität, redet dazwischen und verteidigt Schlechtleister“, klagte Menk.

Peters Sekretärin schob sich diskret durch den Türspalt und raunte: „Der Minister auf Leitung zwei.“

„Herr Menk, ich muss jetzt Schluss machen. Mein Bruder meldet sich, sobald er wieder im Büro ist.“

Verärgert schnaubte Dieter Menk eine Verabschiedung und legte auf.

„Herr Minister, was kann ich für Sie tun?“, fragte Peter und lächelte ins Telefon. Er traf den Wirtschaftsminister regelmäßig im Golfklub, ein Anruf in der Firma war ungewöhnlich.

„Peter, ich will nicht lange drum herum reden. Eben wurde ich von einer vertraulichen Quelle angesprochen, dass Sie sich mit dem Gedanken tragen, die Spezialfolien in Wiesbaden zu verkaufen. Wie hoch ist der Wahrheitsgehalt dieser Information?“

Ärger überkam Peter. Zum einen war es nicht sein Wunsch, die Spezialfolien, zu verkaufen, sondern der seines Bruders und zum anderen war die Information nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Nur die drei Inhaber sollten von der Diskussion um den Verkauf wissen.

„Woher haben Sie diese Information?“, versuchte es Peter mit einer Gegenfrage.

Wer es in den Rang eines Landesministers geschafft hatte, war allerdings zu gut geschult, um auf eine Gegenfrage einzugehen. „Sie wissen, dass das nicht zur Sache tut. Sagen Sie mir lieber, wie viel Wahrheit in der Information steckt. Ich möchte Sie ungern an die Landeszuschüsse beim Anbau der nördlichen Hallen in Ihrem Werk in Wiesbaden erinnern müssen.“

„Die Spefo, also die Spezialfolien sind nicht so einfach rentabel darstellbar. Die Lohnkosten sind im Rhein-Main Gebiet zu hoch, speziell für diesen Markt. Asiaten und Osteuropäer drängen uns mit Dumping-Preisen aus unserem Geschäft.“

„Also verkaufen Sie?“, blieb der Minister dem Zweck seines Anrufs treu.

„Entschieden ist noch nichts. Mein Bruder und meine Mutter drängeln, aber es gab noch keine Gespräche mit Banken oder Interessenten.“

„Wenn die 600 Arbeitsplätze verloren gehen, werden wir die Zuschüsse zurückfordern. Ist Ihnen das bewusst?“

Peter überlegte kurz, den Minister an die Schmiergelder zu erinnern, die er damals als Bausenator bei der Vergabe der Nordhallen angenommen hatte. Aber in der heutigen Konstellation würde Peter das nicht weiterhelfen, zumal sein Bruder bei der Vergabe an einen lokalen Bauunternehmer der größte Profiteur gewesen war.

„Ich denke, Sie treffen die richtige Entscheidung. Halten Sie mich auf dem Laufenden“, beendete der Minister das Gespräch.

Gegen Mittag traf Heinrich von Marienthal in den Geschäftsräumen der Gotar Holding ein. Sein Bruder berichtete ihm von den Ereignissen des Vormittags, die eine Sondersitzung der drei Inhaber zur Folge hatte.

03 – Warum Erwartungen?

Sven Brackel musste lachen, auch wenn der Anlass eher traurig war. „Und Du hast ihm die Brocken tatsächlich vor die Füße geworfen?“

„Gekündigt habe ich nicht. Ich bin lediglich aus dem Raum gegangen.“

„Bist Du Menk danach noch einmal begegnet?“

„Nein, den Rest des Tages habe ich in meinem Büro verbracht und darauf gewartet, dass er anruft. Letztlich könnte er mir das Verlassen des Meetings als Arbeitsverweigerung auslegen.“

„Er wird nicht gleich kündigen.“

„Da bin ich mir nicht so sicher, Sven. Als normaler Mitarbeiter wäre ich mit einer Abmahnung dabei, aber als leitender Angestellter kann Menk mir die fristgerechte Kündigung auf den Tisch legen und meine Fähigkeiten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.“

„Ob Du tatsächlich leitender Angestellter bist, würde ich nach dem Betriebsverfassungsgesetz bezweifeln, da Du nicht eigenständig Personal einstellen bzw. freisetzen kannst“, suchte Sven nach tröstlichen Worten. „Paradox ist halt, das Du als Prediger des Leitsatzes: Jeder Mitarbeiter nur so gut ist, wie er die Erwartungen seines Vorgesetzten erfüllt, selbst gegen die Erwartungen Deines Vorgesetzten verstoßen hast.“

„Aber Sven, das haben wir schon öfter diskutiert. Der Leitsatz bedeutet nicht, dass der Mitarbeiter sklavisch alle Erwartungen seines Vorgesetzten erfüllen muss. Stell Dir vor, Du bist für die Buchhaltung verantwortlich und Dein Geschäftsführer erwartet, dass Du die Bilanz fälschst. Dann hast Du immer noch zwei Möglichkeiten.“

„Klar, ich kann die Bilanz fälschen und bin ein guter Mitarbeiter, oder ich fälsche die Bilanz nicht und kann mir einen neuen Job suchen“, sagte Sven.

„Zumindest zeigt das Beispiel, dass der Leitsatz auch bei sehr schrägen Erwartungen stimmt.“

Sven Brackel, sein ehemaliger Kollege bei Brackets, war inzwischen stellvertretender Geschäftsführer eines italienischen Zahnradherstellers und regelmäßiger Diskussionspartner, wenn es um das Thema Mitarbeiterführung ging.

„Hat Menk Dir gegenüber seine Erwartungen erläutert?“, fragte Sven.

„Auch wenn das die wesentliche Schlussfolgerung aus dem Leitsatz ist, nämlich das Vorgesetzte ihre Erwartungen erläutern sollen, hat sich Menk nie darum geschert. Er gehört zu der Sorte Vorgesetzte, die ihre Erwartungen nicht im Vorfeld diskutieren.“

„Aus welchen Gründen äußern Vorgesetzte wie Menk ihre Erwartungen eigentlich nicht?“

„Wenn ich mir Menk anschaue, dann will er nicht transparent werden. Der will im Nachhinein immer die Möglichkeit haben, seine Erwartungen anders auszulegen, um so seine Macht zu zeigen.“

„Und warum äußern andere Vorgesetzte Ihre Erwartungen nicht?“, fragte Sven weiter.

„Der häufigste Grund ist sicherlich, dass viele Vorgesetzte ihre eigenen Erwartungen überhaupt nicht kennen. Versuche es selbst einmal: Nimm ein leeres Blatt Papier und schreibe die zehn Erwartungen an Deine Mitarbeiter auf, die Dir besonders wichtig sind.“

Tim konnte Sven durch das Telefon lächeln sehen. Das war schwieriger, als es klang. „Dann bittest Du Deine Mitarbeiter aufzuschreiben, was sie denken, was Deine Erwartungen sind. Am Ende vergleicht ihr die zehn Erwartungen auf den Zetteln. Was denkst Du, wie viele gleich wären?“

„Sicherlich nicht mehr als sechs“, vermutete Sven. „Spannend wäre das auch mit negativen Erwartungen“, entwickelte er die Idee weiter. „Schreibe die zehn Verhaltensweisen auf, die Dich am meisten nerven und diskutiere die mit Deinen Mitarbeitern.“

„Das ist eine gute Idee. Damit hätten wir zwei Gründe, warum Vorgesetzte ihre Erwartungen nicht äußern. Aber es gibt garantiert noch mehr.“

„Denk nur an Dieter Menks Erwartungsliste. Was stände da ganz oben?“, fragte Sven.

„Ein Punkt auf der Liste von Menk wäre Gehorsam. Wir beide würden als Mitarbeiter sofort nach den Gründen fragen. Dann müsste Menk erklären, warum Gehorsam das Unternehmen erfolgreicher macht und welche Kennzahl er damit positiv beeinflussen will. Eine Diskussion, die in einem modern geführten Unternehmen nicht zu gewinnen wäre.“

„Eine Diskussion, die Menk sicher nicht führen möchte“, ergänzte Sven und fuhr fort:

„Es gibt noch ein anderes Problem für Dich als Vorgesetzten, wenn Du Erwartungen gegenüber Deinen Mitarbeitern äußerst.“

Tim war froh, mit Sven diskutieren zu können. Er zwang Tim, sich gedanklich weiter zu entwickeln. „Wenn ich bestimmte Erwartungen formulieren und erklären kann, warum diese Erwartungen einen Sinn ergeben, dann muss ich mich auch selbst daran halten.“

„Genau! Vier Gründe, Erwartungen besser nicht zu artikulieren, obwohl es eine Führungskraft erfolgreicher machen würde“, fasste Sven zusammen.

„Jetzt hast Du mir zwar nicht mit Menk weiter geholfen, aber ich habe gelernt, warum Vorgesetzte ihre Erwartungen nicht klar formulieren“, beendete Tim lachend das Gespräch mit Sven und nahm sich ein leeres Blatt Papier. Allerdings schrieb er nicht die besprochenen zehn Erwartungen an seine Mitarbeiter auf, sondern das Ergebnis des Gesprächs mit Sven:

Was habe ich heute gelernt?

Warum äußern Vorgesetzte ihre Erwartungen nicht?

– Vorgesetzte kennen ihre eigenen Erwartungen nicht

– Vorgesetzte wollen nicht transparent werden

– Vorgesetzte können den Sinn ihrer Erwartungen nicht erklären

– Vorgesetzte müssen ihre eigenen Erwartungen leben (Vorbild)

Dann kehrten Dieter Menks letzte Worte in seinen Kopf zurück. Lag sein Arbeitsvertrag bereits als Puzzle im Schredder? Musste er sich auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereiten? Egal, wie die Sache ausging, er wollte aus der Erfahrung mit Menk zumindest lernen.

Schon einmal hatte Tim die Zusammenfassung seiner täglichen Lernerfahrungen geholfen. Er wollte seinen Weg aus der Welt der Wissensriesen und Umsetzungszwerge auch dieses Mal festhalten, wenn er ihn tatsächlich finden sollte.

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