UH15: Strukturiert Störungen beseitigen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 15

Strukturiert Störungen beseitigen

 

Oktober 2010, Diese UH als PDF downloaden

Kommt Zeit, kommt Lösung, schön wäre es. Verantwortliche der Fertigung wissen Probleme gibt es im Überfluss, Zeit und Ressourcen um sie zu lösen, hingegen nicht. Wenn der tägliche Druck hoch ist, besteht die Gefahr, dass Probleme geflickt und nicht gelöst werden. Leider fallen Flicken mit der Zeit wieder ab. In der Zwischenzeit kommen neue Probleme hinzu. Techniker und Prozessverantwortliche ähneln häufig dem Hamster im Laufrad. Sie kämpfen und flicken mit hohem Einsatz, aber ein Ende ist nicht in Sicht. Nur wer hält länger durch, der Hamster oder das Laufrad?

Diese Umsetzungshilfe gibt Ihnen 5 Tipps für das systematische Beheben von Störungen:

1. Störungen nach Pareto priorisieren

Pareto hilft knappe Problemlöse-Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Denn häufig verursachen 20% der vorhandenen Störungen bereits 80% des Ausschusses, der Stillstandszeiten oder der Kundenreklamationen. Konzentrieren Sie deshalb Ihre gesamte Kraft auf die Störung, die den größten Schaden verursacht.

Beispiel Verkehrsunfälle: In 2009 wurden in Deutschland 377.733 Verkehrsunfälle mit Personenschaden verursacht. Acht Arten von Fehlverhalten stehen für 289.022 Verkehrsunfälle. Eine Pareto-Analyse der Gründe ergibt folgendes Bild:

Die in der Tabelle aufgeführten fünf Fehlverhalten verursachten bereits 77% der Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Um die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden deutlich zu reduzieren, ist es völlig ausreichend, wenn sich die Verantwortlichen auf die TOP 5 Ursachen konzentrieren. Hier ist der Hebel zur Verbesserung am größten.

Richtiges priorisieren wird in der Praxis durch folgende Fallen erschwert:

  • Das Problem mit dem dringendsten Termin bekommt häufig die höchste Priorität. Aber Achtung: Dringlichkeit und Wichtigkeit haben meistens wenig miteinander zu tun.
  • Aktuelle Probleme bestimmen die tägliche Agenda. Dadurch bleiben wichtige Themen liegen. Probleme werden dann nicht systematisch und strategisch bearbeitet. Im schlimmsten Fall bleiben Probleme mit dem größeren Hebel zur Verbesserung liegen.
  • Jedes Problem verdient eine Maßnahme. Wenn aber ein technischer Defekt zum ersten Mal auftritt, ist es häufig vernünftiger keine Maßnahmen einzuleiten. Hingegen wird in der Praxis jedes Problem ernst genommen. Die Arbeitslisten werden länger und am Ende fehlt die Luft zum strategischen Arbeiten.

2. Klare Problemdefinition

Ein Problem bezeichnet eine Abweichung vom Standard oder zu einem gewünschten Ergebnis. Ein Problem ist eine Störung. Stellen Sie sicher, dass alle am Problemlöseprozess beteiligten Personen das gleiche Verständnis vom Problem haben. So ist es ein Unterschied, ob Sie die Reklamation im allgemeinen in den Griff bekommen müssen oder aber die Anzahl der Reklamationen bei einem speziellen Kunden in die Höhe schießen. Schreiben Sie das Problem so präzise wie nur möglich auf.
Beispiel: „Unser Kunde in Italien hat im Zeitraum August bis September 2010 fünf Mal fehlende Lieferpapiere reklamiert.“

Vermischen Sie bei der Definition nicht Problem und Ursache. Das Problem ist nicht ein eventueller Wechsel des Logistikdienstleisters für den italienischen Kunden. Es könnte aber die Ursache sein. Die Abweichung zum gewünschten Standard ist das Fehlen der Lieferpapiere in fünf Fällen.

3. Ist / Ist-Nicht-Analyse

Ziel der Analyse ist es, die Störung so präzise wie möglich zu beschreiben. Es geht dabei darum, Besonderheiten zu finden. Um diese Besonderheiten zu identifizieren, muss sowohl der IST- aber auch der IST-Nicht-Zustand betrachtet werden. Der IST-Nicht-Zustand beschreibt Zustände die sein könnten, aber nicht sind. Aus den Besonderheiten und Veränderungen zwischen den IST- und IST-Nicht-Zuständen können mögliche Ursachen für das Problem abgeleitet werden. Die folgenden vier Kriterien müssen betrachtet werden:

  • Bezeichnung: Was ist der Fehler?
  • Ort: Wo tritt der Fehler auf?
  • Zeit: Wann tritt die Störung auf?
  • Ausmaß: Welche Größe oder Anzahl weist die Störung auf?

Berücksichtigen Sie für die Analyse nur Tatsachen, aber niemals Mutmaßungen.

Disziplin ist entscheidend für den Analyseprozess. Häufig kommen uns bereits während der Analyse Lösungsvorschläge in den Sinn. Diese Ideen halten uns jedoch von einer umfassenden Analyse ab. Dadurch wird der wirkliche Grund womöglich übersehen. Zwingen Sie sich auch den IST-Nicht-Zustand möglichst treffend zu beschreiben. Unser Gehirn sucht unbewusst nach Ähnlichkeiten. Unterschiede werden nicht wahrgenommen, führen aber häufig zur wirklichen Ursache für das Problem.

Fallbeispiel Platzender Reifen: Da die Eheleute Lehmann beide berufstätig sind, besitzen sie zwei PKWs. Sie besitzen einen kleinen Flitzer und – um auch für größere Ausflüge gewappnet zu sein – einen Van. Seit ca. 18 Monaten ist es wie verhext, obwohl der Van erst 2 Jahre alt ist, ist in diesem Zeitraum bereits 5 Mal bei voller Fahrt der rechte, hintere Reifen geplatzt. Das letzte Mal sogar auf der Autobahn bei voller Geschwindigkeit. Die Werkstatt ist ratlos. Die Familie ebenfalls und will deshalb den Van verkaufen, denn Angst hat Fahrfreude verdrängt. Kurz bevor die Eheleute den Van in eBay einstellen, kommt ein alter Freund der Familie vorbei und lässt sich die Einzelheiten erklären. Die Ergebnisse seiner Befragung fasst er in einer IST / IST-Nicht-Tabelle zusammen. Der Freund kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Der Gärtner war es!

 

(Beispiel nach Kepner & Tregoe)

4. Ausbildung der Mitarbeiter

Trainieren Sie die Problemlösekompetenz Ihrer Mitarbeiter. Die Ausbildung der Mitarbeiter in systematischer Problemlösekompetenz ist ein wesentlicher Baustein der TQM-Bewegung.

5. Review

Überprüfen Sie nach einem gewissen Zeitraum, ob die eingeleiteten Maßnahmen wirksam waren, d.h. die Störung dauerhaft beseitigt wurde. Wenn Ihr Zielproblem deutlich an Anteilen in der Pareto-Auswertung verloren hat, ist es ein erster Hinweis auf einen erfolgreichen Problemlösungsprozess. Betrachten Sie jedoch das Ergebnis kritisch, vielleicht hatten Sie einfach nur Glück oder aber andere Maßnahmen haben „Ihr“ Problem gelöst.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz!

Diese UH als PDF downloaden

Ressourcen:
Bohn, Roger (2000): Stop Fighting Fires, Harvard Business Review, July-August.
Kepner, C. und Tregoe, B.: ATS Analyse Technischer Störungen, Carl Ritter & Co., Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt: am 23.09.2010
Stryker, Perrin (1965): How to Analyze That Problem: Part II of a Management Exercise, Harvard Business Review, July.