UH16: Mitarbeiterbefragung effektiv

UMSETZUNGSHILFE Nr. 16
Mitarbeiterbefragung effektiv

November 2010, Diese UH als PDF downloaden

Anonyme Mitarbeiterbefragungen werden von allen Betriebsparteien geschätzt. Endlich können Mitarbeiter frei heraus ihre Meinung sagen, Betriebsräte erfahren, wo der Schuh drückt und das Management bekommt ein unbefangenes Bild der Lage. Nur zu dumm, dass bei Mitarbeiterbefragungen häufig das Gleiche rauskommt! Die typischen drei Problemzonen sind:

  1. Mitarbeiter fühlen sich nicht gut informiert
  2. Vorgesetztenverhalten
  3. Persönliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten

Warum ist das so?

1. Die Mitarbeiter haben stets das Gefühl, dass ihre Vorgesetzten ihnen einige Informationen vorenthalten. Sie unterstellen den Vorgesetzten einen Informationsvorsprung. Und die Mitarbeiter haben Recht. Vorgesetzte haben einen Informationsvorsprung. Vorgesetzte können nicht jede Überlegung, jede Idee sofort kommunizieren. Wie viel Prozent dieser Ideen werden überhaupt umgesetzt? Richtig, nur ein Bruchteil wird jemals Realität. Deshalb würde offene Kommunikation unnötig für Verwirrung, vielleicht sogar Angst sorgen. Aktienrechtliche Vorschriften oder Sorgen um den guten Ruf des Unternehmens schränken noch zusätzlich den Spielraum zur offenen Kommunikation ein. Manchmal ist es auch nur die Order von oben, die dem Vorgesetzten die Möglichkeit zur Information nimmt.

Was bleibt? Es ist natürlich, dass Vorgesetzte einen Informationsvorsprung haben. Es ist menschlich, dass die Mitarbeiter an diesem Vorsprung teilhaben möchten. Dieser Zustand lässt sich nicht vermeiden. Vorgesetzte können jedoch am Vertrauen arbeiten, damit ihre Mitarbeiter gelassener mit dieser Situation umgehen.

2. Das Vorgesetztenverhalten ist nach zahlreichen Studien der Demotivator Nr. 1. Gegen seinen Chef vorzugehen führt nahezu nie zum Erfolg, offen zu kritisieren, wagen die wenigsten.

So wird die Gelegenheit zur anonymen Kritik gerne genutzt. Diese ist aber unbrauchbar, da das Unternehmen zum Aufarbeiten der Kritik einen offenen Dialog braucht. Nun muss entweder der kritisierende Mitarbeiter aus der Anonymität, oder das Unternehmen die anonyme Kritik verwerfen. Das Akzeptieren und Bearbeiten anonymer Unmutsäußerungen ist der Tod des offenen Dialogs und deshalb widersinnig.

Wenn Sie Mitarbeiterbefragungen durchführen, stellen Sie sicher, dass die Ergebnisse Rückschlüsse auf die Führungskräfte erlauben. Machen Sie die Auswertungskreise so, dass die Ergebnisse einer konkreten Führungskraft zuzuweisen sind. Wie sollen ansonsten die richtigen Maßnahmen abgeleitet werden?

Überlegen Sie deshalb vor der Mitarbeiterbefragung, was Sie mit den Aussagen zur Informationspolitik machen wollen oder können? Nichts? Dann stellen Sie auch keine Fragen zu diesem Thema.

3. Persönliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Wie viel Prozent Ihrer Mitarbeiter sind unterdurchschnittlich?

Dem Wort nach 50%. Wie viele Mitarbeiter wissen, dass sie unterdurchschnittlich sind? Vielleicht 5-10% (hoffentlich, denn kein Feedback geben ist Diebstahl). Also glauben 90-95% Ihrer Mitarbeiter zu den guten Mitarbeitern zu gehören. Exklusive Ausbildungsprogramme, spannende Projekte oder berufliche Aufstiege haben Sie haben jedoch nur für 20-30% Ihrer Mitarbeiter. Der Rest wird nicht öffentlich klagen, aber die anonyme Chance zum Jammern nutzen.

90-95% der Mitarbeiter nach ihren Wünschen persönlich weiterzuentwickeln wird Ihnen niemals gelingen. Daher werden Maßnahmen zur Verbesserung der persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten feigenblattartigen Charakter haben. Der Ausweg ist ein konsequenter Umgang mit kritischem Feedback. Persönliche Weiterentwicklung fängt immer mit offenem Feedback an. Ohne Rückmeldung ist keine Verbesserung möglich.

Aber ist die Lösung dann, keine Mitarbeiterbefragungen durchzuführen? Nein, Mitarbeiterbefragungen helfen, wenn Sie sich an folgende sieben Umsetzungshilfen halten:

1. Definieren Sie klare Ziele für die Mitarbeiterbefragung

Machen Sie keine Mitarbeiterbefragung zum Spaß, denn Sie wecken hohe Erwartungen. Überlegen Sie sich vorher, was das schlimmste Ergebnis sein könnte und wie Sie darauf reagieren. Wollen Sie immer noch eine Mitarbeiterbefragung machen? Dann lesen Sie weiter.

2. Kommunizieren Sie konsequent die Ziele

Sagen Sie Ihren Mitarbeitern vorher was Sie wollen. Akzeptanz entsteht durch Verständnis, nicht durch Gerüchte. Machen Sie keine schönen Flyer, reden Sie offen und direkt mit Ihren Mitarbeitern. Warum führen Sie eine Mitarbeiterbefragung durch? Was wollen Sie mit den Ergebnissen machen?

3. Stellen Sie die richtigen Fragen

Wählen Sie die richtigen Fragen: Fragen, wie „Fühlen Sie sich gut informiert?“ oder „Haben Sie den Eindruck, dass Sie sich persönlich weiterentwickeln können?“ führen zu keinem verwertbaren Ergebnis. Messen Sie stattdessen ob Unternehmensvision und Strategien von den Mitarbeitern und Führungskräften verstanden und gelebt werden:

„Ich finde es richtig, dass unsere besten Ingenieure dafür eingesetzt werden, das Serviceangebot unseres Unternehmens zu verbessern“, gibt Ihnen eine Antwort, ob z. B. die kundenorientierte Servicestrategie akzeptiert ist.

Genauso wichtig ist die Formulierung der Fragen. Wenn Sie beispielsweise das Führungsverhalten bewerten möchten, fragen Sie nach beobachteten Verhalten und nicht nach Einschätzungen. Sie können beispielsweise fragen: „Kennt Ihr Vorgesetzte den Markt?“, die bessere Frage ist jedoch: „Berücksichtigt Ihr Vorgesetzter bei der jährlichen Festlegung der Ziele aktuelle Markttrends?“. Die Beantwortung der ersten Frage wird unter Umständen unbewusst an Hand von Vorurteilen vorgenommen. Aber vor allem führt ein schlechtes Ergebnis auf diese Fragen zu endlosen Debatten, ob die Mitarbeiter die Marktkenntnisse überhaupt einschätzen können. Hingegen liegen die Maßnahmen bei – unzufriedenen Antworten auf die Frage nach der Berücksichtigung der aktuellen Markttrends – auf der Hand.

Der Schlüssel zur effektiven und nützlichen Mitarbeiterbefragung liegt in der Qualität Ihrer Fragen!

4. Manipulieren Sie die Ergebnisse nicht durch das Design

Befragte lassen sich durch Überschriften leiten. Wenn Sie verschiedene Fragen unter einem Kapitel zusammenfassen – Beispiel: Führungsverhalten – dann laufen Sie Gefahr, dass sich die Mitarbeiter bei der Beantwortung der Fragen von der Überschrift leiten lassen. Wenn sie mit dem Führungsverhalten generell unzufrieden sind, dann werden die einzelnen Fragen in diesem Kapitel unbewusst schlechter bewertet. Lassen Sie die Überschriften weg.

Je mehr Zeit die Befragten für die Beantwortung einer Frage haben, desto positiver fällt häufig die Bewertung aus. Deshalb werden längere Fragen häufig besser beurteilt als kurze Fragen. Je länger die Fragen, desto geringer die Spontanität bei der Beantwortung. Achten Sie deshalb auf ähnliche Wortanzahl je Frage. Ansonsten sind die Antworten weniger vergleichbar.

5. Machen Sie die Auswertung zu keiner Wissenschaft (KISS)

Viele Befragungs-Dienstleiter setzten auf Ihre eigene Auswertemethodik die sie aber gleichzeitig wie einen Augapfel hüten. Eine komplexe 5 dimensionale Auswertung nach 120 Kriterien klingt mächtig, taugt aber nicht. Je einfacher und nachvollziehbarer die Auswertung ist, desto größer ist die Akzeptanz des Ergebnisses. Die Auswertung muss dem KISS-Prinzip unterliegen: Keep it stupid & simple.

6. Stehen Sie zu den Ergebnissen

Bitte nicht die Ergebnisse wegschließen. Stellen Sie die Ergebnisse Ihren Mitarbeitern zur Verfügung. Noch wichtiger aber, leiten Sie konkrete Maßnahmen ab. Gibt es Führungsschwächen im Führungsteam, dann müssen diese auch mit geeigneten Maßnahmen bearbeitet werden. Das Verstecken hinter technischen oder organisatorischen Maßnahmen um personelle Maßnahmen zu vermeiden spart zumindest Geld, Geld für die nächsten Mitarbeiterbefragung. Denn wenn keine Maßnahmen folgen, brauchen Sie auch nicht auf Ergebnisse aus weiteren Befragungen hoffen – Sie bekommen dann die Antworten, die sie hören wollen, die Teilnahmequote aber wird deutlich sinken.

7. Richtigen Partner wählen

Arbeiten Sie mit jemand zusammen, der so etwas schon einmal gemacht hat! Meiden Sie Theoretiker, wie die klassischen Befragungsinstitute. Wer aus einer Mitarbeiterbefragung eine Wissenschaft macht, hilft Ihnen nicht.

Und nehmen Sie den Betriebsrat von Umsetzungshilfe 1 bis 7 immer mit an Bord!

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz!

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Ressourcen:
Morrel-Samuels, Palmer (2002): Getting the Truth into Workplace Surveys, Harvard Business Review, Feb. 2002.