UH22: Krankheitsbedingte Abwesenheit durch Motivation reduzieren

UMSETZUNGSHILFE Nr. 22

Krankheitsbedingte Abwesenheit durch Motivation reduzieren

 

März 2014, Diese UH als PDF downloaden

Ist Krankheit „gottgegeben“? Ist Krankheit das Gleiche wie Arbeitsunfähigkeit? Führungskräfte, die ihren Krankenstand positiv beeinflussen wollen, müssen zwei Begriffe auseinanderhalten:

  1. Krankheit
  2. Arbeitsunfähigkeit

Ist Krankheit digital oder analog?
Digital bedeutet: es gibt nur zwei Zustände, 0 und 1. Licht an oder Licht aus. Analog lässt auch alle Zwischenstufen zu. So ist z. B. ein Dimmer der die Helligkeit stufenlos reguliert, analog.
Was denken Sie: Ist Krankheit digital oder analog?
digital / analog

Krankheit ist analog, also fließend. Angefangen von kerngesund (aber wer kann das schon von sich sagen?) bis hin zu 100% krank. Stellen Sie sich jemanden mit einem leichten Schnupfen vor, dann mit starkem Husten und am Ende mit 40 Grad Fieber.
Schauen wir nun auf die Arbeitsunfähigkeit. Ist Arbeitsunfähigkeit digital oder analog?
Wann ist jemand in Deutschland arbeitsunfähig? Man ist arbeitsunfähig, wenn man eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) hat. Also ist Arbeitsunfähigkeit digital: Einen gelben Schein oder keinen gelben Schein.
Wir halten fest: Krankheit ist analog, Arbeitsunfähigkeit digital. Ab wie viel Prozent Krankheit ist ein Mitarbeiter nun arbeitsunfähig?

____________%

„Es kommt darauf an“, ist die häufigste Antwort, die wir in unseren Seminaren dazu hören. Aber worauf kommt es an?
Stellen Sie sich die Zwillinge Klaus und Alfred vor. Beide haben am Montag Frühschicht. Beide quälen sich gegen 4 Uhr aus dem Bett. Auf der Bettkante sitzend, stellen beide fest, dass sie Halsschmerzen haben. Klaus und Alfred sind gleich krank.
Alfred fühlt sich in seiner Firma nicht wertgeschätzt. Sein Chef ist Choleriker und Alfred hasst seine Kollegen. Aber das macht nichts, die Kollegen hassen auch Alfred. Und sein Entgelt ist ein Witz, eigentlich müsste er das Entgelt seines Chefs haben, da er ja auch den Job vom Chef macht. Was entscheidet Alfred Montag früh um 4 Uhr auf der Bettkante?

geht arbeiten / geht nicht arbeiten
Mit Halsschmerzen, einem Choleriker als Chef und Kollegen, die nichts taugen, wird Alfred den Bettkantentest nicht bestehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit entscheidet sich Alfred gegen die Firma. Alfred ruft seinen Chef an und meldet sich arbeitsunfähig.
Montag früh um 4 Uhr – nur zwei Straßen weiter: Sein Bruder Klaus arbeitet in einer anderen Firma. Er hat einen vernünftigen Chef und versteht sich prima mit seinen Kollegen. Es ist zwar manchmal stressig, aber die Stimmung ist gut. Klaus weiß, dass in dieser Woche ein wichtiger Kunde kommt. Da wird jeder Mann gebraucht. Auch Klaus hat Halsschmerzen. Er ist gleich krank, wie Alfred. Wie entscheidet sich Klaus auf der Bettkante?

geht arbeiten / geht nicht arbeiten

 

Klaus trinkt einen Tee, gurgelt mit einem bewährten Hausmittel – und geht zur Arbeit.
Jetzt schließen wir den arbeitsunfähigen Alfred an einen Lügendetektor und fragen Ihn: „Alfred, bist du arbeitsunfähig?“ Was antwortet er?

ja/nein

 

Er wird mit „Ja“ antworten. Und was sagt der Lügendetektor?

sagt die Warhheit / lügt

Alfred lügt nicht. Alfred ist arbeitsunfähig und der Lügendetektor bestätigt ihn.
Was lernen wir von den Zwillingen Klaus und Alfred? Dass wir zwei Formen der Arbeitsunfähigkeit unterscheiden müssen: Durch den Mitarbeiter beeinflussbare Arbeitsunfähigkeit und durch den Mitarbeiter nicht beeinflussbare Arbeitsunfähigkeit.
Das häufigste Problem im Fehlzeitengespräch entsteht dadurch, dass betroffene Mitarbeiter sich oft im Bereich der nicht beeinflussbaren Arbeitsunfähigkeit sehen, während Vorgesetzte über den Anteil beeinflussbarer Arbeitsunfähigkeit sprechen wollen.
Unsere Praxis zeigt, dass die durch den Mitarbeiter unbeeinflussbaren Fehlzeiten im Durchschnitt bei 2%-Punkten liegen. Fehlzeiten die über diese 2% hinausgehen, sind zu großen Teilen durch Mitarbeiter und direkten Vorgesetzten beeinflussbar. Die Höhe der krankheitsbedingten Abwesenheit ist deshalb eine anerkannte Messgröße für die Bewertung der Führungsleistung.
Reduzieren Sie die beeinflussbare krankheitsbedingte Abwesenheit indem Sie die folgenden Maßnahmen umsetzen:

1. Erklären Sie, wer für die Arbeitsfähigkeit verantwortlich ist

Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern frühzeitig über Ihre Erwartungen zur krankheitsbedingten Abwesenheit. „Frühzeitig“ heißt: Bevor jemand krankheitsbedingt ausfällt.
Gleichen Sie ab, wer für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit verantwortlich ist. Welche Verantwortung hat der Arbeitgeber und welche hat der Mitarbeiter? Klären Sie, wie viele Tage beeinflussbare Arbeitsunfähigkeit pro Jahr normal sind (nämlich null! Oder gibt es in Ihrer Firma einen Anspruch auf Tarifgrippe?).

2. Erklären Sie die Bedeutung niedriger Abwesenheitsquoten

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter überzeugen wollen, benötigen Sie Argumente aus der Sicht der Mitarbeiter. Diskutieren Sie deshalb, welche Vorteile Ihre Mitarbeiter durch eine niedrige Abwesenheitsquote haben? Was bedeutet ein fehlender Mitarbeiter für die verbleibenden Kollegen?
Möglichkeit 1: Der Mitarbeiter wird nicht ersetzt, dann müssen die anderen mehr arbeiten.
Möglichkeit 2: Es kommt ein Ersatz, der nicht eingearbeitet ist und aufwändig eingearbeitet werden muss.
Niedrige Abwesenheitsquoten vermeiden Stress im Team und vereinfachen die Planung.

3. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter zur AUB

Räumen Sie mit dem Ammenmärchen auf, dass Mitarbeiter über die Berufsgenossenschaft nicht versichert sind, wenn sie trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) zur Arbeit gehen.
In Deutschland entscheidet der Mitarbeiter selbst über seine Arbeitsfähigkeit, da diese vom Genesungsverlauf und von der Tätigkeit abhängen. Deshalb steht auf der AUB: „voraussichtlich arbeitsunfähig bis…“. Das bedeutet, dass die Arbeitsunfähigkeit bei noch nicht abgeschlossener Genesung verlängert wird. Es bedeutet aber auch, dass der Mitarbeiter bei vorzeitiger Genesung seine Tätigkeit wieder aufnimmt.
Dürfen Sie erwarten, dass Ihre Mitarbeiter vor Ablauf des „gelben Scheins“ wieder zur Arbeit kommen? Selbstverständlich – wenn diese wieder arbeitsfähig sind. Schließlich zahlt der Arbeitgeber auch das komplette Entgelt, egal ob jemand gefehlt hat, oder nicht.

4. Seien Sie Vorbild

Warum sollten sich die Mitarbeiter gesundheitsbewusst verhalten, wenn der eigene Chef selbst oft krankheitsbedingt fehlt? Gehen Sie als Vorgesetzter mit vorbildlichem Verhalten voran. Leben Sie Ihren Mitarbeitern die persönliche Verantwortung für die Förderung und den Erhalt der eigenen Arbeitsfähigkeit vor. Die Bausteine hierfür sind innere Einstellung zur Arbeit, positive Lebensweise und regelmäßige Vorsorge.

5. Wertschätzen Sie 0 – Fehltage

Unternehmen, die den Krankenstand reduzieren wollen, kümmern sich intensiv um diejenigen Mitarbeiter, die durch Abwesenheit auffallen. Dabei werden die „Null-Tage-Mitarbeiter“ häufig übersehen. Zeigen Sie diesen Mitarbeitern durch Ihre persönliche Wertschätzung, dass Ihnen das Thema wichtig ist.
Und schreiben Sie bitte keinen Dankesbrief. Investieren Sie das Wertvollste, was Sie als Führungskraft besitzen: Ihre Zeit. Bedanken Sie sich persönlich – es lohnt sich.

6. Messen und visualisieren Sie den Krankenstand

Ist Ihnen die Kennzahl Krankenstand wichtig? Dann hängen Sie diese auch offen aus und informieren Sie täglich darüber.
Denn die krankheitsbedingte Abwesenheit mit Lohnfortzahlung ist der anerkannte Indikator für die Motivation und Einstellung der Mitarbeiter zu ihrem Arbeitgeber; und damit auch für die Führungsleistung des jeweiligen Vorgesetzten. Deshalb gehört die krankheitsbedingte Abwesenheit zu den wichtigsten Kennzahlen des Unternehmens.

7. Lassen Sie die Krankmeldung nur beim Vorgesetzten zu

Bestehen Sie darauf, dass der Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeit vor Arbeitsbeginn beim Vorgesetzten anzeigt. Sie unterstreichen damit, dass Ihnen der Krankenstand im Team wichtig ist.
Die fehlerhafte Meldung im Krankheitsfall ist kein Kavaliersdelikt. Unpünktliches Anzeigen ist ein grober Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und deshalb entsprechend zu sanktionieren. Seien Sie konsequent . Dies ist auch fair gegenüber denjenigen, die immer da sind und für die anderen mitarbeiten.

8. Sorgen Sie für Handlungsspielraum

Stellen Sie sich vor, Ihr neuer Vorgesetzter sagt im Begrüßungsgespräch: „Meine Aufgabe ist es, Sie zu motivieren!“
Weckt diese Aussagen Ihre innere Motivation? Vermutlich nicht, im Gegenteil, dieser Satz ist pure Demotivation. Es gilt der Grundsatz: Mitarbeiter sind motiviert. Vorgesetzte können „nur“ Demotivation vermeiden!
Sie haben sogar die Pflicht, Demotivation zu vermeiden. Aber wie geht das?
Gestalten Sie Arbeitsaufgaben so, dass sie ein hohes Motivationspotenzial haben. Das Motivationspotenzial ist hoch, wenn Sie:

  • Erklären, warum die Aufgabe wichtig ist und wie sie zum Großen und Ganzen beiträgt.
  • Den Mitarbeitern Freiräume bei der Erledigung der Aufgabe einräumen.
  • Routineaufgaben mit wertschätzenden Aufgaben ergänzen.
  • Rückmeldung zur erbrachten Leistung ermöglichen.

Wenn sich Ihre Mitarbeiter mit den Aufgaben identifizieren, sinkt die durch Motivation beeinflussbare Abwesenheit auf null. Die dann verbleibenden Arbeitsunfähigkeitszeiten sind Sache des Arztes und eines guten betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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