UH33: Führen mit Erwartungen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 33
Führen mit Erwartungen

 

April 2012, Diese UH als PDF downloaden
„Zehn Prozent Produktivitätssteigerung im Jahr“ klingt es Nörzig noch in den Ohren, als er die Treppe zum Chef hinaufsteigt. Elf Prozent hatte er mit seinem Team erreicht, das Jahresgespräch mit seinem Chef musste ein Erfolg werden. Wie hoch würde die Gehaltssteigerung wohl ausfallen? Der Tisch beim Lieblingsitaliener war schon bestellt. Seine Frau würde sich freuen, sie musste im letzten Jahr häufig alleine abends Essen. Heute konnte sich Nörzig endlich dafür bedanken.

Doch Nörzig hatte die Rechnung ohne seinen Chef gemacht. Er erinnerte ihn an den durch sein Team verursachten Seriendefekt. Ein wichtiger Kunde war verärgert, was helfen da elf Prozent Produktivitätssteigerung? Der Chef wollte Produktivitätssteigerung und (!) Qualität. Die Lektion musste Nörzig schmerzlich erfahren. Zum Italiener ging es trotzdem, nur Spaß machte es nicht.

Ein Jahr später: Nörzig steigt wieder die Treppe zum Büro des Chefs hinauf. Wieder bringt er elf Prozent Produktivitätssteigerung mit, allerdings im Vergleich zum Vorjahr ohne Kundenbeanstandung. Da wird der Chef Augen machen. Und wieder kam es anders. Dem Chef waren die Zahlen egal. Der Betriebsrat hatte sich über Nörzig beschwert. Einige seiner Mitarbeiter fühlten sich ungerecht behandelt. Der Chef erklärte Nörzig eindringlich: „Ich möchte nicht, dass deine Mitarbeiter sich beschweren. Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter ist mir wichtig.“

Neues Jahr – neues Glück? Geht Nörzig mit Schwung in das nächste Jahr? Wenn er sehr hartnäckig ist ja, oder ihn geht es wie 42% der Mitarbeiter in Deutschland für die „nicht eindeutig geäußerte Erwartung des Vorgesetzten“ der mit Abstand größte Demotivator ist (Umfrage des In-ternet-Jobportals Monster im Jahr 2002).

Das Problem: In der Praxis bleiben Erwartungen häufig unausgesprochen. Wenn Vorgesetzte ihren Mitarbeitern die Erwartungen nicht transparent darstellen, dann müssen sich die Mitarbeiter im Laufe der Zusammenarbeit diese selbst erarbeiten. Wie bei Nörzig sind dazu mehrere Iterationsschleifen und blutige Nasen erforderlich. Im schlimmsten Fall geben leistungsorientierte Mitarbeiter entnervt auf und verlassen das Unternehmen. Genauer, sie verlassen ihren Chef.

Machen Sie es besser, nutzen Sie die folgenden 6 Umsetzungshilfen, um die Potenziale Ihrer Mitarbeiter zu nutzen.

1. Unterscheiden Sie zwischen Erwartungen und Ziele

Ziele und Erwartungen sind grundverschieden. Während Ziele das „WAS“ beschreiben, also was wir erreichen wollen, beschreiben Erwartungen das „WIE“. Bei Nörzig war das Ziel Produktivitätssteigerung um mehr als zehn Prozent im Jahr, ohne Anstieg der Kundenreklamationen. Nörzigs Chef erwartete, dass er dieses Ziel mit zufriedenen Mitarbeitern erreichte. Da Nörzig diese Erwartung nicht erfüllte, war er in den Augen seines Chefs kein guter Mitarbeiter. Nur wer die Erwartungen seines Chefs kennt, kann diese erfüllen. Auch, oder gerade die ungeschriebenen Erwartungen.

2. Legen Sie Ihre Erwartungen fest

Nehmen Sie sich ein leeres Blatt Papier und schreiben Sie Ihre Erwartungen an Ihre Mitarbeiter auf.

  • Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
  • Warum erwarten Sie es von Ihren Mitarbeitern?
  • Ist diese Erwartung fair?

Häufig fällt Ihnen die Formulierung der Erwartungen leichter, wenn Sie sich die Frage beantworten: „Was nervt mich an der Arbeitsausführung meiner Mitarbeiter am meisten?“

3. Ordnen Sie Ihre Erwartungen nach Schwerpunkten

Sortieren Sie Ihre Erwartungen nach Schwerpunkten. Für die Fertigung hat sich die Struktur: Sicherheit, Qualität, Produktivität und Mitarbeiterverhalten bewährt.

Beispiel: Was kann man zum Thema Sicherheit erwarten? Jeder Mitarbeiter hält sämtliche Sicherheitsregeln ein und übernimmt die Verantwortung für auftretende Sicherheitsmängel.

4. Besprechen Sie Ihre Erwartungen mit Ihren Mitarbeitern

Besprechen Sie Ihre Erwartungen mit Ihren Mitarbeitern. Erläutern Sie dabei auch die Gründe für Ihre Erwartungen. Und vor allem, fragen Sie Ihre Mitarbeiter ob Ihre Erwartungen fair sind. Wenn „Nein“, dann überprüfen Sie Ihre Erwartungen. Nachvollziehbare Erwartungen sind immer erklärbar und fair. Der Abgleich der Erwartungen mit Ihren Mitarbeitern ist somit keine Einbahnstraße, sondern eine Chance gemeinsame Spielregeln der Zusammenarbeit für die Zukunft festzulegen. Nur wer mitwirken kann, ist nachher auch wirklich überzeugt.

5. Seien Sie Vorbild

Ihre Mitarbeiter werden Erwartungen nur als fair empfinden, wenn Sie sich selbst an Ihre eigenen Spielregeln halten. Wenn Sie von Ihren Mitarbeitern das Tragen von Sicherheitsschuhen erwarten, dann tragen Sie auch Sicherheitsschuhe.

6. Seien Sie konsequent

Machen Sie Ihre Erwartungen zum Maßstab für Ihre Entscheidungen und Beurteilungen. Dadurch empfinden Ihre Mitarbeiter Ihre Führung als transparent. Wenn Sie beispielsweise von Ihrem Vertrieb erwarten, dass er Rentabilität vor Umsatz stellt, dann befördern Sie bei der nächsten Gelegenheit nicht den umsatzstärksten Vertriebsmitarbeiter zum neuen Regionalleiter. Wen Sie befördern sollten, wenn Sie Ihre eigenen Erwartungen ernst nehmen, müssen wir Ihnen an dieser Stelle nicht mehr erklären, oder?

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Briegert, Enrico und Hochgeschurtz, Thomas (2011): Führung, ikotes-Verlag, Bühl.
Hochgeschurtz, Thomas (2009): Konsequent. – Das Buch zum Nicht-Technischen-Training, ikotes-Verlag, Bühl.