Umsetzungshilfe 38: Fehlzeitengespräch

Gespräche wegen Krankheit
Teil 2: Fehlzeitengespräch

3. überarbeitete Auflage vom 26. Februar 2024

Einen Teil der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeiten reduzieren Sie über die Einstellung Ihrer Mitarbeiter. Dies erreichen Sie, indem Sie zum Äußersten greifen: Mit Ihren Mitarbeitern reden. Gute Fehlzeitengespräche erzeugen beim Mitarbeiter Einsicht, dass er einen Einfluss auf seine Arbeitsunfähigkeit hat. Er reduziert dann seine krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstage.

Diese Umsetzungshilfe hilft Ihnen bei vom Mitarbeiter beeinflussbaren Fehlzeiten erfolgreiche Gespräche zu führen.

1. Keine Gießkanne

Jeder Fall ist anders, deshalb lassen sich Gespräche wegen Arbeitsunfähigkeit nicht formalisieren. Im Gegenteil, standardisierte Gespräche sind schädlich. Wenn die Fehlzeiten des Mitarbeiters auf einer durch ihn nicht beeinflussbaren Arbeitsunfähigkeit beruhen, dann demotivieren Fehlzeitengespräche, da der Mitarbeiter nichts ändern kann. (siehe UH22: Fehlzeiten durch Motivation reduzieren).

Beispiel: Dem Vorgesetzten ist das Fehlzeiten-Gespräch mit einem Mitarbeiter nach einem Autounfall mit Armbruch und anschließender Folgeleiden unangenehm. Denn er weiß, dass dieses Gespräch sinnlos ist. Sein Mitarbeiter hatte „einfach“ Pech – eine Verhaltensänderung ist in dieser Situation nicht möglich. Demotivation entsteht, wenn starre Vorgaben den Vorgesetzten zu diesem Fehlzeitengespräch zwingen.

„Du weißt ja, dass ich dieses Gespräch führen muss. Die Betriebsvereinbarung ist schuld…“

Mit solchen Aussagen entwerten Vorgesetzte die Wirkung aller sinnvollen Fehlzeitengespräche. Denn was wird der Mitarbeiter seinen Kollegen über das Gespräch berichten?
Überlassen Sie es dem Vorgesetzten, zu entscheiden, mit welchem Mitarbeiter er welches Gespräch führt.

2. Treffen Sie die Richtigen

Gute Vorgesetzte haben den Krankenstand Ihrer Mitarbeiter nach zwei Kategorien über die letzten Jahre ausgewertet:

  • Anzahl der Fehltage
  • Verteilung der Fehltage

Schauen wir auf die Auswertung eines Teamleiters:

Mit wem sollte der Vorgesetzte sprechen?
Richtig, mit Allen. Nur die Art des Gesprächs unterscheidet sich. Denken Sie dran: Das Ziel eines Fehlzeitengespräches ist Reduzierung der Fehlzeiten. Bei welchen Mitarbeitern sehen Sie laut Tabelle die Notwendigkeit und Möglichkeit der Veränderung?

3. Das Begrüßungsgespräch

Mitarbeiter A hat zwar die meisten Fehltage, aber hier hilft kein Fehlzeitengespräch. Nutzen Sie das Begrüßungsgespräch und freuen Sie sich, dass der Mitarbeiter wieder da ist. Fragen Sie ihn, ob er noch Unterstützung benötigt. Bringen Sie ihn auf den Stand, was die letzten Wochen ohne ihn gelaufen ist. Auch beim B, C, D und E führen Sie als direkter Vorgesetzter nach jeder Arbeitsunfähigkeitsperiode ein Begrüßungsgespräch. Zeigen Sie den Mitarbeitern, dass Sie sein Fehlen bemerkt haben.

Die Grundregeln des Begrüßungsgesprächs erfahren Sie in der UH36 Begrüßungsgespräch.

4. Das „Null-Tage“ Gespräch = Anerkennungs-Gespräch

Sie haben genug unangenehme Gespräche zu führen. Führen Sie also auch einmal ein angenehmes Gespräch zum Thema Fehlzeiten. Gehen Sie persönlich zu den Mitarbeitern, die im letzten Jahr keine Arbeitsunfähigkeits-Tage hatten.

Bedanken Sie sich beim Mitarbeiter, dass er letztes Jahr immer da war.

Sie ernten manchmal merkwürdige Reaktionen („Schön, dass Sie das auch mal bemerkt haben.“), aber insgeheim freuen sich die Mitarbeiter.

Und gehen Sie persönlich zum Mitarbeiter, denn die knappste Ressource, die Sie als Vorgesetzter haben, ist Ihre Zeit. Prämien oder andere kleine Aufmerksamkeiten führen jedoch in die Tretmühle extrinsischer Motivation und schaden mittelfristig sogar. Bedenken Sie auch, dass Sie die Anwesenheit des Mitarbeiters mit dem Entgelt bereits abgegolten haben. Oder zahlen Sie privat Dinge die Sie schon einmal bezahlt haben auch noch mal?

Die Grundregeln zum Anerkennungsgespräch finden Sie ebenfalls in der Umsetzungshilfe 36.

5. Einladung und Einstieg in das Fehlzeitengespräch

Bei auffälliger Statistik (in der Tabelle oben die Mitarbeiter B und D) laden Sie den Mitarbeiter zu einem Fehlzeitengespräch ein. So sollten zum Beispiel Mitarbeiter, die im Alter von 40 Jahren jedes Jahr bereits 15 bis 30 Fehltage haben, Ihr Interesse wecken. Was glauben Sie, wie viele Fehltage solche Mitarbeiter in fünf bis zehn Jahren haben? Weniger? Vermeiden Sie schon heute die schwierigen Fälle von Morgen.

Sie führen erfolgreichere Gespräche, wenn Sie die folgenden drei Fragen unaufgefordert zu Beginn jedes Mitarbeitergespräches beantworten:

  1. Grund oder Anlass für dieses Gespräch
  2. Ziel des Gesprächs
  3. Dauer des Gesprächs

Erläutern Sie zum Einstieg sachlich den Anlass für das Gespräch. Es kommt darauf an, dass Sie präzise beschreiben und auf Bewertungen verzichten. Beschreiben Sie nur die Fakten:

„Du bist hier, weil Du im aktuellen Jahr sechsmal zwei Tage arbeitsunfähig warst, sechsmal montags und dienstags.“

Eine gute Idee ist es, wenn Sie Ihrem Mitarbeiter seine Statistik zum Beispiel anhand eines Jahreskalenders visualisieren. Ziel des Gesprächs sind Maßnahmen zur Reduktion krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeitstage in der Zukunft. Teilen Sie dem Mitarbeiter zum Abschluss der Einleitung mit, wieviel Zeit Sie sich eingeplant haben.

Wir empfehlen Ihnen mindestens 30 Minuten für dieses Gespräch einzuplanen. Je größer das geblockte Zeitfenster, desto ruhiger führen Sie das Gespräch.

6. Der Hauptteil des Fehlzeitengesprächs

Im Rahmen Ihrer Fürsorgepflicht empfehlen wir Ihnen als erstes zu klären, ob die Fehlzeiten betrieblich verursacht wurden. Indem Sie die Frage geschlossen stellen, bekommen Sie eine klare Antwort. Dies hilft Ihnen das Gespräch zielgerichtet weiterzuführen.

„Sind deine sechsmal zwei Fehltage betrieblich bedingt?“

90% der Mitarbeiter sagen an dieser Stelle, dass die Fehlzeiten nicht mit der Tätigkeit zusammenhängen.

6.1 Krankheit hängt nicht mit der Tätigkeit zusammen

Wenn die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit nicht mit der Tätigkeit zusammenhängt, dann liegt sie im persönlichen Bereich. Damit ist das Gespräch nicht beendet. Fragen Sie den Mitarbeiter nach seinen persönlichen Maßnahmen.

„Was unternimmst du, damit sich dein Krankenstand verbessert?“

Lassen Sie den Mitarbeiter erst aus dem Gespräch, wenn er persönliche Maßnahmen festgelegt hat. Bleiben Sie Ihrer Argumentationskette treu:

„Wenn die Ursachen für sechs mal zwei Fehltage nicht aus dem betrieblichen Umfeld kommen, dann kommen sie aus deinem persönlichen Umfeld. Dann möchte ich von Dir eine Maßnahme aus deinem persönlichen Umfeld.“

Sobald der Mitarbeiter eine persönliche Maßnahme genannt hat, halten Sie diese fest. Verzichten Sie auf eine Bewertung des Vorschlages. Schließlich sitzt Ihnen der Experte gegenüber. Seien Sie geduldig. Auch wenn Ihnen fünf tolle Ideen kommen, hilft es Ihnen, wenn Sie den Mit-arbeiter selbst einen Vorschlag machen lassen. Setzen Sie fort mit Punkt 7: „Erzeugen Sie Verbindlichkeit“

 6.2 Krankheit hängt mit der Tätigkeit zusammen

Sagt der Mitarbeiter, dass es an der Tätigkeit liegt, plausibilisieren Sie diese Aussage. Wenn Sie skeptisch sind, dann fragen Sie Ihn, aus welchen Gründen andere Mitarbeiter auf dem gleichen Arbeitsplatz weniger AU-Tage haben. Ihr Kernargument: „Wenn andere Mitarbeiter auf dem gleichen Arbeitsplatz deutlich weniger Fehltage haben, kann es nicht an der Arbeit liegen.“

So überführen Sie den Mitarbeiter auf die persönliche Seite.

Wenn Sie den betrieblichen Grund des Mitarbeiters als Ursache für die häufigen Fehlzeiten nachvollziehen können, dann fragen Sie, was er vorschlägt, was am Arbeitsplatz konkret verändert werden soll, damit sich seine Fehlzeiten reduzieren.

„Was schlägst Du vor, um den betrieblichen Grund zu beseitigen?“

Seien Sie geduldig. Auch wenn Ihnen fünf tolle Ideen kommen, hilft es Ihnen wenn Sie den Mitarbeiter selbst einen Vorschlag machen lassen. Moderieren Sie Ihn zu einer umsetzbaren Lösung, aber geben Sie die Lösung auf keinen Fall vor. Wenn Sie einen Vorschlag haben, den Sie auch für umsetzbar halten, stellen Sie noch eine letzte Frage, bevor Sie zur Umsetzung schreiten:

„Das heißt, wenn wir diese betriebliche Maßnahme umgesetzt haben, sinkt dein Krankenstand?“

Antwortet der Mitarbeiter nicht mit „ja“, beginnen Sie mit dem Gespräch von vorne. Antwortet der Mitarbeiter mit „ja“, dokumentieren Sie das Gespräch und legen einen Folgetermin fest.

7. Erzeugen Sie Verbindlichkeit

  • Dokumentieren Sie den Grund für das Gespräch, Dokumentieren Sie die Ergebnisse und Legen Sie einen Termin für ein Folgegespräch fest.
  • Geben Sie dem Mitarbeiter eine Kopie der Gesprächsnotiz mit.
  • Waren die Maßnahmen nicht erfolgreich, warten Sie nicht bis zum Kontrolltermin, führen das nächste Gespräch und legen neue Maßnahmen fest. Lassen Sie den Mitarbeiter nicht aus dem Gespräch, ehe er sich zu neuen Maßnahmen verpflichtet hat.

8. Vermeiden Sie die häufigsten Fehler im Fehlzeitengespräch

Lesen Sie dazu Ihre Umsetzungshilfe Nummer 86: Die  sieben Todsünden beim Fehlzeitengespräch.

 

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)
Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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