UH43: Wege aus der Überlastung

UMSETZUNGSHILFE Nr. 43
Wege aus der Überlastung

 

Februar 2013, Diese UH als PDF downloaden
Kennen Sie das Motto: „Wer keinen Stress hat, ist entweder langweilig, oder nicht wichtig genug?“

Was aber, wenn man sich tatsächlich wie im Hamsterrad fühlt? Der Arbeitstag ist getaktet, Meeting jagt Meeting.

Zwischendurch verlangt der Chef eine Antwort, warum das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, der Kunde drängelt schon. Zurück im Büro, bitten drei Kollegen um Rückruf, während die Mail-Flut Tsunamiartige Ausmaße annimmt. In solchen Situationen droht Hilflosigkeit.

Der amerikanische Psychologe Martin Seligmann prägte den Begriff der „erlernten Hilflosigkeit“. Erlernte Hilflosigkeit beschreibt das Phänomen, dass Menschen aus gemachten Erfahrungen ableiten, dass sie ihre Umstände nicht beeinflussen können. Sie fühlen sich ihrem Schicksal ergeben und übersehen selbst offensichtliche Auswege.

Diese Umsetzungshilfe zeigt Ihnen einen Weg, wie Sie Ihre Mitarbeiter aus der Überlast und Hilflosigkeit führen.

1.  Erstellen Sie eine Arbeitszeitanalyse

Bitten Sie Ihren Mitarbeiter vier Wochen aufzuschreiben, was er jeden Tag tut. Wer in der Ausbildung ein Berichtsheft führen musste, weiß, wie schwierig diese Aufgabe ist. Am Ende des Tages war immer noch so viel Zeit zu füllen. Das liegt an den kleinen Zeitfressern, die überall auf uns lauern.

Unterteilen Sie die Aktivitäten gemeinsam mit Ihrem Mitarbeiter in verschiedene Gruppen. Dabei ist die Beschreibung „Meeting“, „Telefonieren“, „Mails bearbeiten“ nicht ausreichend. Die Liste muss aus konkreten Tätigkeiten bestehen, wie „Kalt-Akquise“, „Projekt A“, „Bewerbungsgespräch“, usw.

Am Ende werden die Tätigkeiten nach Zeitverbrauch sortiert.

Als Vorgesetzter habe ich in der Praxis erfahren, dass die Hälfte der Mitarbeiter, die mit einer Arbeitszeitanalyse beauftragt wurden, nach den vier Wochen nicht mehr ihre Überlast beklagten. Viele Menschen erkennen beim bewussten Aufschreiben der eigenen Aktivitäten ihre vielen Zeitdiebe. Ihnen wird klar, was tatsächlich getan werden muss und was nicht. Dadurch entwickeln sie ihre eigene Strategie gegen zu hohe Belastung.

2. Vergessen Sie „priorisieren“

Ein gut gemeinter Rat im Zeitmanagement ist: „priorisieren.“ Stellen Sie sich vor, Sie haben 100 Aufgaben. Nun priorisieren Sie diese Aufgaben. Wie viele Aufgaben haben Sie jetzt? Richtig, 101.Nicht „priorisieren“ löst Überlast, sondern alleine „eliminieren“. Umsortieren, schneller arbeiten, mehr arbeiten, führt ins Hamsterrad, nicht heraus!

3. Hören Sie auf Pareto

Was hat Vilfredo Pareto (1848-1923) eigentlich genau gesagt? Als Ingenieur und Ökonom fand er heraus, dass 80% des italienischen Vermögens in den Händen von 20% der Familien liegen. Was das mit Überlast zu tun hat? Nun, 20% der Tätigkeiten stehen für 80% des Zeitverbrauchs und die restlichen 80% der Tätigkeiten stehen für 20% des Zeitverbrauchs. Beginnen Sie mit den dicken Brocken. Es hilft nichts, wenn Sie mit dem Kleinkram anfangen.

4. Schauen Sie genau hin

Meine Team-Assistentinnen zeigten auf Punkt 8 der Arbeitszeitanalyse und erklärten mir ihre Entscheidung: „Die Reisekostenabrechnungen können die Teammitglieder in Zukunft selbst machen! Die wissen sowieso am besten, wie sie gereist sind.“

Warum eignet sich der Vorschlag der Team-Assistentinnen nicht, um deren Überlast zu reduzieren? Richtig, weil das reine Verschieben von Arbeit nicht entlastet. Zumal die fehlerhaft ausgefüll-ten Reisekosten-Abrechnungen der Kollegen sowieso wieder auf dem Tisch der Assistentinnen landen werden.

„Was ist mit Punkt 1, der Ist-Daten-Korrektur?“, fragte ich meine Damen. “Oh, daran können wir nichts machen“, kam es sofort zurück. „Warum nicht?“

Hinterfragen Sie den Sinn der am häufigsten ausgeübten Tätigkeiten. Fragen Sie bei Bedarf fünfmal hintereinander „warum?“ Wenn Sie bis dahin nicht beim Kunden als Antwort angekommen sind, sind Sie auf einem guten Weg. Seien Sie besonders kritisch, bei Antworten wie „Korrektur“, „Nacharbeit“, „Koordination“ oder „Kontrolle“.

5. Der Kunde ist König

Schlagen Sie Mitarbeitern, die mit der fertigen Arbeitszeitanalyse zu Ihnen kommen, stets vor, als erstes alle Tätigkeiten, die direkt für den Kunden gemacht werden, mit Textmarker zu markieren.

Hier tritt häufig hohe Betroffenheit ein, denn selten wird viel Textmarker benötigt. Konzentrieren Sie sich alleine auf die nicht markierten Tätigkeiten, sonst stoßen Sie irgendwann im Unternehmen auf massive Widerstände. Und das zu Recht!

6. Rechnen Sie mit Widerständen

Es gibt keine sinnlosen Tätigkeiten! Zumindest nicht so lange, wie Ihre Mitarbeiter nach Zeit bezahlt werden. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass der Wegfall von Meetings, Kontrollen und Nacharbeiten im schlimmsten Fall den Lohn der Mitarbeiter kürzen, da diese nach dem Wegfall einer Tätigkeit weniger zu tun haben.

Der Wegfall einer Tätigkeit ist auch immer eine Kritik an den Personen, die diese Tätigkeit ausgeführt haben. Denn wenn die Tätigkeit morgen nicht mehr benötigt wird, war sie gestern schon sinnlos. Und wer hört schon gerne, dass er in der Vergangenheit sinnlose Tätigkeiten ausgeübt hat?

Zuletzt haben Sie den „Erfinder“ der Tätigkeit gegen sich. Mit dem Wegfall einer Tätigkeit zerstören Sie die Hinterlassenschaft einer anderen Person. Und „Hinterlassenschaften“ sind starke Motivatoren für den der hinterlässt.

7. Probieren geht über studieren

Widerstände überwinden Sie oft nicht mit guten Worten. Wenn es nicht anders geht, vereinbaren Sie mit den Betroffenen eine Testphase. Lassen Sie die Tätigkeit für drei Monate wegfallen und einigen Sie sich danach auf einen Review. Ist die Tätigkeit einmal eliminiert und war sie wirklich sinnlos, sind Sie sie mit großer Sicherheit los.

Testphasen bergen aber auch immer eine Gefahr. Nämlich, dass die Betroffenen Ihnen beweisen, dass es ohne die Tätigkeit nicht geht. Streichen Sie eine Kontrolle, die einem der Kontrolleu-re ans Herz gewachsen war, wird in der Testphase ein Mangel auftreten, der mit der Kontrolle verhindert worden wäre.

Fangen Sie doch einfach einmal mit Ihrer persönlichen Arbeitszeitanalyse an. Ab nächster Woche schreiben Sie alle ausgeübten Tätigkeiten für vier Wochen auf.

8. Selbsttest: Was ist verzichtbar?

Möchten Sie Ihre eigene Tätigkeitsliste überprüfen? Dann empfehlen wir Ihnen folgende Checkliste nach Birkinshaw. Nehmen Sie sich Ihre unter 7. erstellte persönliche Arbeitszeitanalyse und stellen Sie für jede der aufgeführten Aktivitäten folgende Fragen:

 

Denn: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Briegert, E. & Hochgeschurtz., Th. (2010): UH12: Wer hat an der Uhr gedreht. Im Internet: www.umsetzungshilfe.de/12
Briegert, E. & Hochgeschurtz, Th. (2011): Führung. ikotes-Verlag, Bühl.
Martin E. P. Seligman (1975): Helplessness. On Depression, Development and Death. San Francisco: Freeman and Comp.
Birkinshaw, J. & Cohen, J. (2013): Schaffen Sie Platz für Wichtiges, Harvard Business Manager, November, S. 98-103