UH49: Gesunde Schichtarbeit

UMSETZUNGSHILFE Nr. 49
Gesunde Schichtarbeit

 

August 2013, Diese UH als PDF downloaden

Alternde Belegschaft und Schichtarbeit – passt das zusammen? Die Frage stellt sich nicht, da der demographische Wandel zur längeren Beschäftigung älterer Mitarbeiter führen wird. Was bleibt ist die Frage: Was können Unternehmen tun, um die gesundheitliche Belastung von Schichtarbeit zu mindern?

Antworten liefert Ihnen diese Umsetzungshilfe. Und denken Sie daran, bei der Gestaltung der Schichtpläne hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.

  1. Schichtpläne immer vorwärts rotieren
  2. Die Anzahl aufeinander folgende Nachtschichten reduzieren.
  3. Dauernachtschicht vermeiden.
  4. Nach einem Nachtschichtblock sollte die Pause mindestens 24 Stunden betragen.
  5. Nachtschicht ausdünnen.
  6. Freie Tage möglichst in Verbindung mit dem Wochenende legen.
  7. Zwei arbeitsfreie Tage am Stück ermöglichen.
  8. Mehrarbeit durch zusätzliche Freizeit ausgleichen.
  9. Gleitzeit reduziert empfundene Belastung.
  10. Beteiligung der Mitarbeiter erhöht die Akzeptanz. Stecken Sie aber vorher den konkreten Rahmen ab.

1. Schichtpläne sollten immer vorwärts rotieren.

Das Rotieren mit der Uhr (Früh-, Spät- und Nachtschicht) belastet den Körper weniger, als das Rotieren gegen die Uhr. Dieser Punkt führt in der Praxis oft zu emotionalen Diskussionen mit den Schichtarbeitenden. Häufig wird ein Rhythmus gegen die Uhr bevorzugt, da die Anzahl der freien Tage am Wochenende so maximiert wird.

2. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein, möglichst nicht mehr als drei.

Je kürzer die Blöcke, desto niedriger ist der Belastungsberg der bewältigt werden muss. So empfehen sich zwei Nachtschichten am Stück, damit die innere Uhr gar nicht erst umgestellt wird. Bei kurzen Nachtschichtblöcken ist das angesammelte Schlafdefizit geringer. Das gleiche gilt übrigens auch für die Spät- und Frühschicht, da auch diese zu einer Umstellung des Schlafverhaltens führen.

3. Dauernachtschicht vermeiden.

Die Dauernachtschicht hat in der Praxis viele Anhänger. Die Arbeitsmedizin teilt die Begeisterung jedoch nicht. Denn auch bei Dauernachtschicht passt sich der Körper nicht perfekt an, da er durch freie Tage und Urlaub immer wieder in den „normalen“ Rhythmus zurückgeholt wird.

Auch Vorgesetzte und Betriebsräte sollten der Dauernachtschicht kritisch gegenüberstehen, da  lange Nachtschichtblöcke eine soziale Isolation fördern. Bedenken Sie, dass die Dauernachtschicht auch deswegen so beliebt ist, weil das Nachtschicht-Problem für die Verantwortlichen einfach nicht mehr sichtbar ist.

4. Nach einer Nachtschichtphase sollten 24 Stunden arbeitsfreie Zeit erfolgen.

Diese Zeitspanne ist aus Sicht der Arbeitsmedizin mindestens erforderlich um eine vernünftige Erholung nach einem Nachtschichtblock zu erreichen. Besser sind zwei freie Tage.

5. Nachtschicht ausdünnen

Welche Tätigkeiten werden in Ihrem Unternehmen heute in der Nachtschicht durchgeführt? Könnten davon auch einige Tätigkeiten in die Tag-, Früh, oder Spätschicht verlagert werden? Durch die Schichtzuschläge stoßen solche Bemühungen aber oft auf passiven Widerstand. Lassen Sie sich davon nicht abhalten, nur die absolut notwendigen Kapazitäten in der Nachtschicht anzubieten.

6. Die freien Tage im Zusammenhang mit dem Wochenende legen.

Wenigstens einer der freien Tage sollte entweder auf einen Samstag oder Sonntag fallen. Der empfundene Freizeitwert ist am Wochenende in der Regel höher. Wichtig ist dabei, den Schichtplan möglichst frühzeitig bekannt zu geben (Jahresschichtpläne). So kann der Mitarbeiter schon frühzeitig seine wichtigen Familien- und Freizeittermine planen und fühlt sich genauso wohl, wie mit einen festen Wochenschichtplan, der letztlich nur wegen der einfacheren Planbarkeit bevorzugt wird.

7. Zwei arbeitsfreie Tage am Stück ermöglichen

In Stephen Coveys Bestseller „Die sieben Wege zu Effektivität“ ist die letzte Lektion: „Schärfe die Säge.“ Nur wer regelmäßig abschalten kann, erbringt dauerhaft Höchstleistungen. Geben Sie Ihren Mitarbeitern schon im Schichtrhythmus die Chance, die Säge zu schärfen.

8. Mehrbelastung immer in Freizeit ausgleichen.

Es klingt logisch, aber ist schwer durchzuhalten: „Zahlen Sie Mehrbelastung nicht aus, sondern lassen sie diese durch Freizeit ausgleichen.“ Wenn Sie dieses Prinzip strikt durchhalten zahlt sich das langfristig aus. Zum einen wird dann optimal gearbeitet, zum anderen bekommen die Mitarbeiter mehr Zeit für die Erholung und erhalten ihr soziales Leben.

9. Führen Sie Gleitzeit auch für Schichtarbeiter ein.

Verabschieden Sie sich gerade im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb von festen Übergabezeiten. Geben Sie ihren Mitarbeitern die Verantwortung sich untereinander abzustimmen, wann sie den Schichtwechsel durchführen. Dadurch können die Mitarbeiter familiäre und berufliche Verpflichtung besser miteinander verknüpfen und übernehmen mehr Verantwortung.

10. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter.

Je stärker Betroffene sich beteiligen können, desto stärker ist die Akzeptanz der geplanten Veränderung. Wichtig, stecken Sie aber vorher den Rahmen der Mitbestimmung ab.
In der Praxis fragen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter, ob sie das Schichtmodell wechseln wollen. Die häufigere Antwort ist „nein.“ Wir Menschen sind halt Gewohnheitstiere. Schichtarbeiter haben ihr soziales Umfeld auf ihren aktuellen Schicht-Rhythmus trainiert. Jede Änderung sorgt für Stress.
Aber auch ihre Mitarbeiter lesen Zeitung und hören Nachrichten: vor dem Hintergrund länger werdender Lebensarbeitszeiten steigt die Bedeutung der Gestaltung der Schichtpläne. Die Belastung durch Schichtarbeit muss dabei minimiert werden. Lassen Sie nicht darüber abstimmen, ob das Schichtmodell belastungsminimierend gestalten wird, sondern alleine, wie die einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden können.
Nach dem Sie den Rahmen, nämlich die oben genannten neun Punkte, vorgegeben haben, sollten Sie Ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der konkreten Ausgestaltung des Schichtplans geben. Sie könnten die Änderung zunächst zeitlich befristet einführen, damit die Betroffenen eine Möglichkeit bekommen, Optimierungen vorzunehmen. Aber wählen Sie die erste Testphase nicht zu kurz. Aus unserer Erfahrung bekommen Sie nach sechs Monaten noch ein „nein“, nach zwölf Monaten ein unklares „jein“ und erst nach 18 Monaten ein klares „ja“.
Und nicht nervös werden, wenn die Mitarbeiter Sie am Ende der Testphase flehentlich anschauen und sagen: „Aber dabei bleibt es doch jetzt, oder?“ Wenn Sie ihre Mitarbeiter bei der nächsten Änderung erneut beteiligen, gehen diese auch erneut mit.

Aber nur, wenn Sie es auch tun – denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Beermann, Dr. B. (2004): Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 1. Auflage, Bremerhaven.
Covey, St. R. (2013): Die 7. Wege zur Effektivität, 27. Auflage, Gabal Verlag Offenbach.