UH56: Arbeitszeugnisse verstehen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 56
Arbeitszeugnisse verstehen

 

März 2014, Diese UH als PDF downloaden


Herr Brüggel hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.
Herr Brüggel schied am 31. März 2014 aus. Wir bedanken uns bei Ihm für die für unser Unternehmen geleistete Arbeit, bedauern sein Ausscheiden sehr und wünschen ihm für den weiteren Berufs- und Lebensweg viel Erfolg.
Arbeitszeugnisse müssen wohlwollend sein. Sie müssen aber auch richtig sein. Daher sind gute und schlechte Zeugnisse schwierig von einander zu unterscheiden.
Diese Umsetzungshilfe zeigt, auf was Sie als Arbeitnehmer achten sollten und welche Fallen für Arbeitgeber lauern.

1. Zeugnisse aus der Sicht des Mitarbeiters

Viele Unternehmen bieten dem Mitarbeiter, der ein Zeugnis erhalten soll, an, sein Zeugnis selber zu schreiben. Die Mitarbeiter freuen sich und schreiben sich ein tolles Zeugnis.
Leider schreiben diese Mitarbeiter das Zeugnis für „sich“. Richtig wäre es aber zu überlegen, wer der Empfänger des Zeugnisses sein wird.
Bei optimalem Verlauf des Arbeitsverhältnisses benötigt der ausscheidende Mitarbeiter das Zeugnis nicht für den nächsten Arbeitgeber, denn bei diesem bewirbt er sich ohne Zeugnis.
„Ohne Zeugnis, obwohl ich ein gutes Zeugnis habe?“

Zeugnisse des aktuellen Arbeitgebers bringen keinen Vorteil. Sie wecken sogar Argwohn.
Wer in einem festen Arbeitsverhältnis steht, benötigt als Bewerber kein Zeugnis von seinem aktuellen Arbeitgeber. Es stellt sich sogar die Frage, warum der Bewerber ein Zeugnis von seinem aktuellen Arbeitgeber hat.

1.1 Bewerber muss ausscheiden

Ein plausibler Grund wäre, dass der Bewerber ausscheiden muss. Viele Unternehmen bieten Mitarbeitern die (betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt) ausscheiden müssen Hilfe bei der Jobsuche an.
Eine vermeintliche Hilfe ist das Ausstellen eines sehr guten Zwischen- oder sogar Endzeugnisses, damit der Mitarbeiter als Bewerber woanders leichter unterkommt.

1.2 Bewerber hat ein Zwischenzeugnis verlangt

Ein weiterer plausibler Grund wäre, dass der Bewerber ein Zwischenzeugnis hat, da er vom aktuellen Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis verlangt hat. Warum verlangt jemand ein Zwischenzeugnis?
Dafür gibt es einen Grund: Weil der Mitarbeiter seine bis dahin erbrachte Leistung absichern will.
Aber wollen Unternehmen Mitarbeiter einstellen, die ausscheiden müssen oder die so wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, dass sie ihre Leistung per Zwischenzeugnis absichern?
Merken Sie sich:
Ein guter Bewerber aus ungekündigter Stelle hat kein Zeugnis von seinem aktuellen Arbeitgeber.

1.3 Das Zeugnis ist für den übernächsten Arbeitgeber

Das Zeugnis sollte aus Sicht des Mitarbeiters für den übernächsten Arbeitgeber optimiert werden. Sie sagen, dass das schwierig ist, da sie nicht einmal den nächsten Arbeitgeber kennen.
Das ist richtig, aber gute Bewerber wissen, welchen Weg sie in Zukunft gehen wollen. Wer eine Fachkarriere anstrebt, stellt im Zeugnis seine fachlichen Fähigkeiten in den Vordergrund, lässt spezifische Begriffe fallen, die ihn als Experten für sein Fachgebiet kennzeichnen.
Wer eine Führungskarriere anstrebt, sollte sich durch die Aufgabenbeschreibung im Zeugnis nicht zu sehr auf ein Gebiet festlegen, sondern Projektleitung oder Führung in den Vordergrund stellen.

1.4 Zeugnisse werden nicht „positiv“ gelesen

Unerfahrene Bewerber glauben, dass möglichst viele positive Begriffe im Zeugnis viel helfen. Zeugnisleser suchen jedoch häufig nicht nach positiven Aspekten, sondern suchen nach Anhaltspunkten für weniger gute Leistungen.
End-Zeugnisse müssen wohlwollend sein, aber sie müssen auch wahr sein. Hat der Mitarbeiter Schwächen offenbart, hat der Zeugnisersteller diese entweder versteckt verklausuliert oder einfach weggelassen.
Ein gutes Zeugnis ist somit kein Wettbewerbsvorteil im Kampf um die begehrte Stelle, da dies der Standard ist. Ein negativer Aspekt ist aber schnell ein k.-o. Kriterium.
Zeugnisse werden „negativ“ gelesen, d.h. die Leser suchen nach Informationen um den Bewerber abzulehnen.

1.5 Viel hilft nicht immer viel

Ein zweijähriges Beschäftigungsverhältnis zu dem es ein dreiseitiges Zeugnis gibt, weckt Unwohlsein beim Leser. Überhaupt wollen viele Mitarbeiter alles was Sie getan haben im Zeugnis wiederfinden, vergessen dabei aber wieder die Lage des späteren Empfängers.
Dies ist die Personalreferentin oder der Fachvorgesetzte. Und die haben vor allem eins: wenig Zeit. Lange Zeugnisse werden nicht gelesen.
Die meisten Zeugnisleser schauen lediglich nach der Schlussformulierung und da hat unser Herr Brüggel gut abgeschnitten:
Herr Brüggel hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. Herr Brüggel schied am 31. März 2014 aus. Wir bedanken uns bei Ihm für die für unser Unternehmen geleistete Arbeit, bedauern sein Ausscheiden sehr und wünschen ihm für den weiteren Berufs- und Lebensweg viel Erfolg.

Bedauern und Wünsche sind ein Zeichen der Wertschätzung des Arbeitgebers, den sprachlichen Unsinn der „vollsten Zufriedenheit“ gibt das Unternehmen in Deutschland aber auf jeden Fall freiwillig her, denn diese Formulierung ist nicht einklagbar.

2. Arbeitszeugnisse aus der Sicht des Arbeitgebers

Arbeitszeugnisse sind kein Kernprozess des Unternehmens, im Gegenteil, es ist eine nicht-wertschöpfende Tätigkeit und somit ist der Aufwand zu minimieren.
Dabei müssen Unternehmen zwei Fallen vermeiden:

2.1 Zwischenzeugnisse sind keine Endzeugnisse

Bei Wechsel der Tätigkeit oder des Vorgesetzten kann der Mitarbeiter ein Zwischenzeugnis verlangen. Viele Unternehmen behandeln diesen Prozess, wie den der Erstellung eines Endzeugnisses und übersehen dabei, dass Zwischenzeugnisse nicht wohlwollend formuliert sein müssen.
Eine wohlwollende Formulierung von Zwischenzeugnissen führt zum einen zu einer Flut von Zwischenzeugnissen, da jeder Mitarbeiter seine Leistung mit einem wohlwollenden Zeugnis absichern will, auch wenn dieser vielleicht gar nicht gut geleistet hat. Damit handelt sich das Unternehmen ein zweites Problem ein:

2.2 Zwischenzeugnisse sind bindend

Hat ein Mitarbeiter für seine erste Tätigkeit (10 Jahre) im Unternehmen ein Zwischenzeugnis mit der Note 1 (stets zur vollsten Zufriedenheit) und verlässt er zwei Jahre später das Unternehmen mit einer Note 3 (zur vollen Zufriedenheit) für die zweite Tätigkeit, so muss im Endzeugnis die Note 1 benutzt werden.
Die Gesamtnote setzt sich aus den zeitlich gewichteten Einzelnoten der einzelnen Tätigkeiten zusammen. Da Vorgesetzte, wenn diese die Aufgabe oder das Unternehmen wechseln, oft Gefälligkeitszeugnisse für ihre Mitarbeiter ausstellen, verliert das Unternehmen Handlungsspielraum bei der Erstellung des Endzeugnisses.
Dies ist jedoch häufig eines der letzten „Druckmittel“, die das Unternehmen hat, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt und der Mitarbeiter bis zum letzten bezahlten Arbeitstag gute Leistung bringen soll.
Daher empfiehlt es sich aus Sicht des Arbeitsgebers dem Wunsch nach einem Zwischenzeugnis zwar zu entsprechen, dies aber auf keinen Fall wohlwollend, sondern „realistisch“ zu formulieren. Sie sparen sich Aufwand, wenn Sie als Zwischenzeugnis einfach die letzte Leistungsbeurteilung kopieren.
Wenn Sie das durchhalten und realistische, statt wohlwollende Zwischenzeugnisse erstellen, werden die Mitarbeiter mit der Zeit auf die Erstellung von Zwischenzeugnissen verzichten (da auch diese realistischen Zwischenzeugnisse für die Endnote bindend sind).
Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert + Thomas Hochgeschurtz
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