UH57: Handlungsspielraum erhöhen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 57
Den Handlungsspielraum Ihrer Mitarbeiter erhöhen

 

Mai 2014, Diese UH als PDF downloaden

Sind Sie manchmal Beifahrer? Wenn ja, versuchen Sie sich bitte an eine kritische Situation zu erinnern. Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Wie hat sich der Fahrer gefühlt?
Häufig bekommt der Beifahrer schon Adrenalin-Schübe, während der Fahrer noch relaxt ist. Warum? Der Fahrer hat alles unter Kontrolle, denn sein Fuß steht bereits auf der Bremse. Der Beifahrer erlebt dieselbe Situation als Stress. Er hat keine Bremse. Er hat keinen Einfluss. Der Beifahrer ist ausgeliefert.
Der Verlust der Kontrolle erzeugt Stress. Häufiger Stress macht psychisch und körperlich krank. Aber fehlender Handlungsspielraum macht nicht nur krank, sondern er demotiviert auch.

 

1. Warum benötigen Ihre Mitarbeiter Handlungsspielraum?

Wenn Sie Freiraum bei der Arbeit geben, vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern. Sie vertrauen in die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter. Dadurch fühlen sie sich wertgeschätzt und die Motivation steigt. Wenn Ihre Mitarbeiter wichtige Dinge Ihrer Arbeit selbst entscheiden dürfen, dann identifizieren sie sich stärker mit der Firma und ihrer Aufgabe. Arbeit fühlt sich schließlich weniger wie Arbeit an.
Indem Ihre Mitarbeiter selbst entscheiden, werden Sie schneller und Ihre Mitarbeiter von Tag zu Tag eigenständiger. Es gilt: „Jeder Vorgesetzte hat die Mitarbeiter, die er verdient.“ Wer seinen Mitarbeitern Freiräume gibt, erntet eigenständig handelnde und motivierte Mitarbeiter. Wer hingegen den Freiraum seiner Mitarbeiter zunehmend einschränkt, erntet Dienst nach Vorschrift.
Doch Freiraum bei der Arbeit wirkt nicht nur auf die Motivation, sondern wirkt auch als Puffer bei psychischer Belastung.
Und was steht unter dem Strich? Motivierte Mitarbeiter, niedrige krankheitsbedingte Fehlzeiten, weniger Unfälle, hohe Qualität und hohe Produktivität.

2. Was bedeutet Handlungsspielraum?

Den Freiraum Ihrer Mitarbeiter die Ausführung und den Ablauf der Arbeit nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Können die Mitarbeiter selbst geeignete Arbeitsverfahren entwickeln?

3. Handlungsspielraum beschreiben

Indem Sie mit Ihren Mitarbeitern Ihre Erwartungen besprechen, beschreiben Sie den Handlungsspielraum Ihrer Mitarbeiter. Die Ziele des Unternehmens beschreiben das Was. Die Erwartungen beschreiben das Wie.
Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie, dass der Urlaub bis zum 01. April des Jahres bereits zu 75% fest verplant ist? Oder reicht es Ihnen auch, wenn der Mitarbeiter dafür sorgt, dass bis zum 31. März des Folgejahres der Urlaub komplett genommen wurde?

4. Haben Ihre Mitarbeiter genügend Freiraum bei der Arbeit?

Messen Sie den vorhanden Freiraum bei der Arbeit mit dem Job Diagnostic Survey von Hackman und Oldham. Nutzen Sie hierfür unsere Umsetzungshilfe Nr. 53: Wie motivierend empfinden Mitarbeiter ihre Arbeit.

5. Möglichkeiten erkennen

Erste Ideen bekommen Sie aus der Bewertung nach Hackman und Oldham (siehe 4.). Weitere Möglichkeiten erkennen Sie, indem Sie

  • Ihre Mitarbeiter fragen, welchen Freiraum sie bei der Arbeit gerne zusätzlich hätten.
  • Jede Entscheidung die Sie treffen müssen in Frage stellen.
    • Warum müssen Sie diesen Antrag unterschreiben?
    • Warum müssen Sie es entscheiden?
    • Wer könnte es besser entscheiden?
    • Wie hoch ist das Risiko, wenn Ihre Mitarbeiter es selbst entscheiden würden? Wie kann das Risiko gemildert werden?
    • Welche Informationen und Fähigkeiten fehlen Ihren Mitarbeitern, um es künftig selbst zu entscheiden?
  • Sämtliche Genehmigungen nach Sinn überprüfen und so weit wie möglich abschaffen, aber mindestens jedoch entschlacken. Wer kann beispielsweise entscheiden, ob eine Dienstreise wirklich notwendig ist? In der Regel der Mitarbeiter, der die Dienstreise beantragt. Wenn er es doch aber am besten entscheiden kann, wozu dann der Dienstreise-Antrag?
    • Warum müssen Sie es entscheiden?
    • Warum müssen Sie diesen Antrag unterschreiben?
    • Wer könnte es besser entscheiden?
    • Wie hoch ist das Risiko, wenn Ihre Mitarbeiter es selbst entscheiden würden? Wie kann das Risiko gemildert werden?
    • Welche Informationen und Fähigkeiten fehlen Ihren Mitarbeitern, um es künftig selbst zu entscheiden?

6. Akzeptieren Sie den Spielraum Ihrer Mitarbeiter

Prüfen Sie bevor Sie Verantwortung übertragen, wie viel Spielraum Sie emotional durchhalten. Und halten Sie dann auch durch. Geben Sie nur das zur Mitbestimmung, was Sie auch mitbestimmt haben wollen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern die Kompetenz zur Entscheidung übertragen, müssen Sie mit dem Ergebnis leben.

7. Vertrauen lässt sich lernen

Sie fühlen sich am Anfang noch unsicher, ob Sie sich auf Ihre Mitarbeiter verlassen können? Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Chance sich Ihr Vertrauen zu erarbeiten. Sie brauchen positive Erfahrungen im Umgang mit Freiräumen.
Fangen Sie klein an. Anfangs übertragen Sie die Verantwortung für kleine Entscheidungen. Der eingeräumte Freiraum ist anfangs noch überschaubar. Wenn die Mitarbeiter diesen Freiraum vernünftig nutzen, erweitern Sie den Freiraum. Nutzen Sie die selbsterfüllende Prophezeiung: Indem Sie Ihren Mitarbeitern Vertrauen und Freiräume geben, werden Ihre Mitarbeiter eingeständiger und gehen mit Verantwortung immer besser um. Die meisten Menschen streben danach, dass in sie gesetzte Vertrauen zu bestätigen.
Beispiel: Abschaffung der Reisegenehmigung

  • Ausgangspunkt: Die Mitarbeiter müssen sich jede Dienstreise vom Vorgesetzten genehmigen lassen.
  • Ziel: Jeder Mitarbeiter entscheidet selbst, welche Dienstreise erforderlich ist. Mitarbeiter genehmigt sich die Dienstreise selber
  • Vorgehensweise: Im ersten Schritt könnte man die Genehmigung für Deutschland abschaffen. Vorgesetzten und Mitarbeiter kalibrieren sich mit der Zeit bezüglich der gegenseitigen Erwartungen. Und wenn die eigenständige Genehmigung der Dienstreisen für Deutschland gut läuft, könnte man im nächsten Schritt auch die europäischen Nachbarländer freigeben.

Und was, wenn ein Mitarbeiter Ihr Vertrauen ausnutzt? Dann Beeinflussen Sie das Verhalten dieses einen Mitarbeiter. Greifen Sie zum Äußersten und sprechen Sie das Verhalten an. Der häufige Fehler: Das Gespräch wird vermieden, indem technische und organisatorische Lösungen gesucht werden. Weil einzelne Mitarbeiter nicht vernünftig mit der eigenständigen Genehmigung von Reisen umgehen, müssen sich alle Mitarbeiter ihre Reisen genehmigen lassen.

8. Redelegation vermeiden

Rechnen Sie damit, dass die Mitarbeiter anfangs versuchen die Verantwortung wieder dem Vorgesetzten rüber zu schieben. Passen Sie auf, wenn Sie um Rat gefragt werden. Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter ihren Freiraum zu nutzen, nehmen Sie aber nicht die Entscheidungen ab.

Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert + Thomas Hochgeschurtz
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Ressourcen:
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2012): Führen mit Erwartungen, Umsetzungshilfe Nr. 33, www.umsetzungshilfe.de/33
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2013): Psychischer Belastung trotzen – Ressourcen stärken, Umsetzungshilfe Nr. 45, www.umsetzungshilfe.de/45
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2013): Entscheidung oder Mitbestimmung, Gesprächstypen in der Praxis, Umsetzungshilfe Nr. 50, www.umsetzungshilfe.de/50
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2013): Wie motivierend empfinden Mitarbeiter ihre Arbeit, Umsetzungshilfe Nr. 53, www.umsetzungshilfe.de/53
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2014): Motivation in der Praxis, Umsetzungshilfe Nr. 23, www.umsetzungshilfe.de/23
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2014): Konsequenz in der Führung von Mitarbeitern, Umsetzungshilfe Nr. 54, www.umsetzungshilfe.de/54
Briegert, E. und Hochgeschurtz, T. (2014): Redelegation vermeiden, Umsetzungshilfe Nr. 55, www.umsetzungshilfe.de/55

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  • Krankheitsbedingte Fehlzeiten reduzieren?
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