UH65: Vertrauen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 65
Vertrauen

 

März 2015, Diese UH als PDF downloaden

„Vertrauen“ – so eine häufige Antwort, wenn wir in unserem Seminar fragen, was auf Arbeit in der Vergangenheit zu außergewöhnlicher Motivation führte. Wenn man uns vertraut, dann fühlen wir uns wertgeschätzt und anerkannt. Man traut uns zu, dass wir eine Aufgabe lösen werden. Wir bekommen Handlungsspielraum bei der Ausführung unserer Aufgaben. Dadurch macht sich unser Chef durch uns verwundbar, denn er muss sich rechtfertigen, wenn wir unsere Aufgabe doch nicht zufriedenstellend lösen.

Vertrauen ist ein Motivator & Misstrauen ein Demotivator.
Diese Umsetzungshilfe zeigt Ihnen vier Punkte, wie Sie das Vertrauen in Ihrem Umfeld steigern.

1. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern?

Für die Abnahme einer Maschine muss der Ingenieur zum Lieferanten nach Wuppertal fahren. Benötigt er hierfür eine schriftliche Reisegenehmigung? Die häufigste Antwort die wir hören: „Na klar!“ Wenn wir nach dem Grund der Reisegenehmigung fragen, wird häufig der Versicherungsschutz durch die Berufsgenossenschaft angeführt.

Nur benötigt die Berufsgenossenschaft eine schriftliche Reisegenehmigung? Nein, wer geschäftlich unterwegs ist, ist während der Dienstreise bei seinen dienstlichen Tätigkeiten versichert.

Wer kann entscheiden, ob die Dienstreise notwendig ist? Wir meinen: der Ingenieur.

Und was weiß der Chef mehr, als der Ingenieur?

Wenn doch der Ingenieur weiß, ob die Dienstreise erforderlich ist und der Chef keine zusätzlichen Informationen hat, dann soll der Reisende auch entscheiden. Wer seinen Mitarbeitern vertraut, verzichtet z. B. auf den Prozess der Reisegenehmigung.

An dieser Stelle hören wir viele Gründe, warum die Reisegenehmigung in den Unternehmen doch zwingend erforderlich ist. Ein Personalleiter glaubte unsere Erwartung zu erfüllen und sagte: „Unsere Mitarbeiter haben doch Freiraum. Sie dürfen entscheiden, ob sie einen Reiseantrag stellen.“
Und aus welchen Gründen sollten Sie zum Beispiel auf Reiseanträge verzichten?

  1. Da Vertrauen motiviert, erhöhen Sie dadurch die Arbeitsmotivation Ihrer Mitarbeiter.
  2. Sie entlasten sich, da Ihre Mitarbeiter Entscheidungen selbst treffen dürfen. Dadurch werden Entscheidungen einfacher und schneller.

Ein letzter Einwand lautet häufig: „Aber ich muss doch dafür gerade stehen, wenn sich meine Mitarbeiter falsch verhalten.“ Erinnern Sie sich? Vertrauen heißt, die eigene Verwundbarkeit erhöhen. Es fällt Ihnen schwer, dann lesen Sie den nächsten Abschnitt.

2. Vertrauen lässt sich lernen

Nutzen Sie den Prozess der selbst erfüllenden Prophezeiung für sich. Wenn es heute in Ihrem Unternehmen erforderlich ist, dass jede Reise genehmigt werden muss, dann könnten Sie – in einem ersten Schritt eintätige Reisen – innerhalb von Deutschland freigeben. Ihre Mitarbeiter benötigen dann für inländische Ein-Tages-Dienstreisen keine Genehmigung durch ihren Vorgesetzten mehr.

Ihre Verwundbarkeit hält sich mit diesem Schritt in Grenzen, aber Sie können die Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter testen. Auch Ihre Mitarbeiter lernen, mit Ihrem Vertrauen umzugehen.Wenn Sie merken, dass Ihre Mitarbeiter Ihr Vertrauen nicht missbrauchen, dann steigt Ihre Bereitschaft, das Vertrauen auszubauen. Sie starten dadurch eine Spirale zu immer mehr Vertrauen in Ihre Mitarbeiter.

Übrigens, Sie müssen ja Ihren Mitarbeitern heute schon vertrauen. Je nachdem wie unser Ingenieur in unserem Beispiel bei der Auswahl des Maschinenlieferanten vorgeht, sind schnell Mehr- oder Minderkosten im fünfstelligen Bereich möglich. Dies können wir als Vorgesetzter gar nicht kontrollieren, da wir ja ansonsten die Arbeit unseres Ingenieurs mit übernehmen müssten. Hier sind wir also durch Mangel an Zeit gezwungen, unserem Ingenieur zu vertrauen. Umso verrückter ist es, dass wir unsere Mitarbeiter gerade bei im Vergleich kleineren Dingen wie Dienstreisen oder Ausgabe von Arbeitsmitteln kontrollieren.

Passen Sie auf, dass Ihre Mitarbeiter das Vertrauen auch nutzen. Gerade am Anfang sind die Mitarbeiter es nicht gewohnt. So kommen Sie zum Beispiel trotzdem bei Ihnen vorbei und fragen, ob Sie die Ein-Tages-Dienstreise innerhalb von Deutschland antreten dürfen. Hier droht Redelegation. Wie Sie Redelegation vermeiden, zeigt Ihnen unsere UH55: Redelegation vermeiden.

3. Wie gewinne ich das Vertrauen meiner Mitarbeiter?

Nach meinem ersten Jahr als Betriebsleiter fragte ich mich, wie es um die Vertrauensbasis zu meinen Mitarbeitern stand. Dabei war für mich das Dilemma zwischen Kontrolle und Handlungsspielraum für meine ca. 200 Mitarbeiter eine der größten Herausforderungen.

So fragte ich mich zum Beispiel, ob die Mitarbeiter meine regelmäßigen Rundgänge in der Fertigung oder an den Büroarbeitsplätzen gut oder schlecht fanden.
Um das heraus zu finden, ging ich in die Fertigung und fragte einen Mitarbeiter, zu dem ich in der Zwischenzeit ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, was er von meinen Rundgängen hielt.

“Herr Hochgeschurtz“ sagte er, „wenn Sie rund laufen, sagt ein Teil der Mitarbeiter, ‘toll, unser Chef interessiert sich für unsere Arbeit’.
„Dann ist es gut, wenn ich die Rundgänge mache“, sagte ich freudig.

Der Mitarbeiter bremste meine Euphorie: „Der andere Teil der Mitarbeiter sagt: ‚Der Hochgeschurtz, der kontrolliert uns!”
“Okay”, sagte ich: „Dann ist es besser, wenn ich keine Rundgänge mache!”

“Nein”, gab der Mitarbeiter zurück: „Wenn Sie nicht rund gehen, sagt der eine Teil der Mitarbeiter ‘der Chef vertraut uns’, während die andere Hälfte sagt, der interessiert sich nicht einmal für unsere Arbeit’. Egal was sie tun, es ist immer falsch!”

Das traf mich. Egal, wie ich mich als Führungskraft verhalte, es ist immer falsch.

Ich verbrachte eine unruhige Nacht, ehe ich morgens beim Duschen den Fehler im letzten Satz des Mitarbeiters erkannte. Es ist nicht immer falsch, was ich tue, sondern immer richtig, was ich tue! Es kommt auf die Sichtweise an.

Es hängt an der Sichtweise Ihrer Mitarbeiter, wie Ihre Handlungen als Vorgesetzter bewertet werden. Haben Ihre Mitarbeiter Vertrauen in Sie, werden Sie Ihr Verhalten positiver bewerten. Haben Ihre Mitarbeiter jedoch kein Vertrauen zu Ihnen, wird selbst die beste Handlung von Ihnen schlecht geredet.
Und wie sichern Sie sich das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter?

  1. In der Beziehung zwischen Menschen gilt häufig: „Wie du mir – so ich dir.“. Wenn Sie sich also als Erstes verwundbar machen, dass heißt Ihren Mitarbeitern vertrauen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Mitarbeitern Ihnen auch vertrauen.
  2. Seien Sie als Vorgesetzter berechenbar. Sagen Sie was Sie tun – und tun Sie was Sie gesagt haben. Stehen Sie zu Ihren Ankündigungen, aber vor allem bieten Sie Ihren Mitarbeitern Rückendeckung.
  3. Nutzen Sie den Mere-Exposure-Effect: Je mehr Kontakt wir mit bestimmten Menschen haben, desto positiver bewerten wir diese Menschen. Aber Achtung: Dieser Effekt tritt nicht ein, wenn die erste Begegnung mit negativen Emotionen belegt ist.

4. Was wenn einer Ihr Vertrauen enttäuscht?

In einem Unternehmen mit 400 Mitarbeitern wagten wir ein Experiment: Die freie Ausgabe von Sicherheitsschuhen, ohne jegliche Erfassung von Namen oder Kostenstelle.

Bisher war ein Mitarbeiter für die Ausgabe der Schuhe verantwortlich. Dieser Mitarbeiter kontrollierte, dass jeder Mitarbeiter nur ein Paar Schuhe pro Jahr erhielt. Jetzt konnten sich die Mitarbeiter Ihr Paar Sicherheitsschuhe ohne Dokumentation entnehmen. Der Schuhlieferant kam zweimal wöchentlich, füllte das Regal auf und stellte den Verbrauch in Rechnung.

Bei 400 Mitarbeitern war der erwartete Verbrauch pro Halbjahr 200 Paar.

Nur: im 1. Halbjahr wurden bereits Paar 500 Schuhe entnommen.

Was hätten Sie in dieser Situation entschieden? In diesem Unternehmen waren die häufigsten Vorschläge der Vorgesetzten:

  • „Dokumentation der Entnahmen”
  • „Kontrollierte Entnahme wieder einführen”
  • oder „Videoüberwachung.”

Reflexartig verfallen wir in den Kontroll-Modus. Auf die einfache Lösung kamen in diesem Unternehmen wenige: Zum Äußersten greifen, und mit den Mitarbeitern reden. Fragen Sie die Mitarbeiter, ob sie die vertrauensvolle Schuhentnahme besser finden, als die kontrollierte. Was wird der Großteil der Mitarbeiter antworten?
Fragen Sie die Mitarbeiter, welches System sie besser finden, das alte kontrollbasierte, oder das neue vertrauensbasierte. Was wird der Großteil der Mitarbeiter antworten? Fragen Sie die Mitarbeiter, was die richtige Konsequenz aus dem erhöhten Sicherheitsschuh-Verbrauch ist. Sie werden die gleiche Antwort bekommen, wie von den Vorgesetzten: Rückkehr zur Kontrolle.

Fordern Sie die Mitarbeiter auf “Vertrauen” eine Chance zu geben. Wenn 5% der Mitarbeiter Ihr Vertrauen missbrauchen: Privatreisen auf Firmenkosten durchführen oder Sicherheitsschuhe für den privaten Gebrauch entnehmen, dann behandeln Sie diese 5% konsequent, statt Ihre 95% guten Mitarbeiter mit unnötigen Kontrollsystemen zu beleidigen.

Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:

Briegert, E. und Hochgeschurtz, Th. (2012): Führen mit Erwartungen, UH33 www.umsetzungshilfe.de/33
Briegert, E. und Hochgeschurtz, Th. (2014): Konsequenz in der Führung von Mitarbeitern, UH54 www.umsetzungshilfe.de/54
Briegert, E. und Hochgeschurtz, Th. (2014): Redelegation vermeiden, UH55, www.umsetzungshilfe.de/55

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