UH24: Arbeitsunfälle vermeiden

UMSETZUNGSHILFE Nr. 24

Arbeitsunfälle vermeiden

März 2014, Diese UH als PDF downloaden

„Bei 47 von 53 tödlich verlaufenen Unfällen haben Waldarbeiter Generalregeln zur Arbeitssicher-heit missachtet und Unerlaubtes praktiziert.“ (Heil 1996).
Ähnlich verhält es sich im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz. Unfälle werden am häufigsten durch bewusst falsches Verhalten verursacht. Im Straßenverkehr wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit missachtet – im Betrieb die vorgeschriebene Schutzausrüstung nicht getragen.
Verhaltensbeeinflussung ist deshalb der Schlüssel, um die Anzahl der Arbeitsunfälle zu reduzieren. Diese Umsetzungshilfe gibt Ihnen konkrete Tipps, wie Sie das Sicherheitsverhalten beeinflussen:

1. Analysieren Sie Unfälle nach dem TOP-Prinzip und handeln Sie danach

Untersuchen Sie jeden Unfall nach folgenden drei Ursachen:

  • Technisch: War technisches Versagen die Unfallursache? Hatte sich zum Beispiel Wasser mit der Bremsflüssigkeit vermischt?
  • Organisatorisch: Lassen die Arbeitsabläufe kein sicheres Arbeiten zu? Muss der Mitarbeiter zum Beispiel immer den Verkehrsgang für das Bedienen der Maschine betreten?
  • Persönlich: Ist der Unfall durch falsches Verhalten des Mitarbeiters verursacht worden? Wurde zum Beispiel die vorgeschriebene Schutzausrüstung nicht getragen?

Beispiel: Um schneller zu seiner Maschine zu kommen, übersteigt der Mitarbeiter ein am Boden montiertes Förderband. Dabei stolpert er, knickt um und verstaucht sich seinen Knöchel. Was ergibt die TOP-Analyse? Ist die Unfallursache technisch, organisatorisch oder persönlich?
Ursache für diesen Unfall ist ein Fehlverhalten des Mitarbeiters, nämlich das Übersteigen eines Förderbandes. Welche Maßnahmen würden Sie aus diesem Unfall ableiten? Sie könnten das Förderband einzäunen, um damit diesen Unfallhergang auszuschließen.
Das klingt logisch und einfach, ist aber eine technische Maßnahme für ein persönliches Fehlverhalten. Ursache und Maßnahme finden nicht auf der gleichen Ebene statt. Das führt in den Teufelskreis stetig steigender Kosten durch technische Maßnahmen für den Arbeitsschutz und sinkender Akzeptanz der Mitarbeiter, da deren Arbeitsplatz immer weiter „zugebaut“ wird
Wenn Menschen von etwas nicht überzeugt sind, finden sie „kreative“ Lösungen um die Einschränkung zu umgehen. Haben Sie in Ihren Unternehmen schon einmal einen Keil unter einer Feuerschutztüre gesehen, einen überbrückten Endschalter oder eine demontierte Schutzeinrichtung?
Machen Sie es beim ersten Mal richtig und beeinflussen Sie Verhalten durch:

  • Vorbild
  • Einsicht
  • und Konsequenz.

2. Vorbild: Sicherheit als oberstes Gebot und wegschauen heißt zustimmen

2.1 Vorbild sein

Wenn Sie von Ihren Mitarbeitern das Tragen von Sicherheitsschuhen erwarten, dann tragen Sie selbst auch Sicherheitsschuhe. Dann tragen auch Ihre Führungskollegen, Ihr Chef, der Inhaber, selbst Lieferanten und Kunden Sicherheitsschuhe. Vorbild heißt, Sie leben vor – was Sie von anderen erwarten.

2.2 Fehlverhalten ansprechen

Auf dem Weg zu einem Meeting beobachten Sie, wie ein Mitarbeiter der Nachbarabteilung über ein Förderband steigt. Wie reagieren Sie?
Sie haben nur eine Möglichkeit. Wenn Ihnen Sicherheit wichtig ist, dann sprechen Sie das Fehl-verhalten direkt an. Wenn Sie es nicht ansprechen, dann haben Sie stillschweigend dem falschen Verhalten zugestimmt. Nach einigen Wiederholungen wird damit aus falschem Verhalten normales Verhalten. Es ist dann in dieser Firma normal, dass man über Förderbänder steigt.
Und bedenken Sie: Wie fühlt sich ein Mitarbeiter, der immer nach seinen Kollegen im Pausenraum eintrifft, weil er die mögliche Abkürzung über die Förderbänder nicht nutzt? Wer ist in dieser Situation der gefühlte Depp? Derjenige, der sich korrekt verhält und den richtigen, aber längeren Weg in die Pause wählt – oder diejenigen, die abkürzen?
„Fehlverhalten ansprechen“ ist somit eine auszusprechende Erwartung an alle Mitarbeiter. Der dauerhafte Erfolg bei Arbeitssicherheit stellt sich nur ein, wenn die Mitarbeiter bereit sind sich untereinander auf falsches Verhalten hinzuweisen. Sicherheitsarbeit ist die Arbeit aller Mitarbeiter im Betrieb, nicht die Aufgabe der Sicherheitsabteilung.

2.3 Im Dilemma gilt: Sicherheit vor Qualität oder Produktivität

Wollen Sie Sicherheit oder Produktivität?
Wie würden Ihre Mitarbeiter diese Frage beantworten?
Mit Sicherheit oder vielleicht doch mit Produktivität?
Und was wollen wir tatsächlich? Beides!
Exzellente Unternehmen balancieren Arbeitssicherheit, Qualität und Produktivität aus, d.h. sie sind in allen drei Feldern sehr gut. Exzellente Unternehmen helfen ihren Mitarbeitern aber auch im Dilemma-Fall: dann wissen die Mitarbeiter, dass sie sich für Sicherheit vor Qualität vor Produktivität entscheiden dürfen.
Zeigen Sie, dass Sie in der Dilemma-Entscheidung zwischen Arbeitssicherheit und einem wichtigen Kundenauftrag immer die Sicherheit vorziehen. Kein Kundenauftrag rechtfertigt unsicheres Verhalten.
Oder wollen Sie, dass ein Mitarbeiter ein Bauteil für 10.000 Euro rettet, indem er den Verlust eines Fingers riskiert? Fragen Sie Ihre Mitarbeiter wie viel mehr Produktionswert in Euro eine Verletzung wert ist.

3. Erzeugen Sie Einsicht: Sicherheit ist für die Mitarbeiter

3.1 Arbeitssicherheit dient dem Schutz der Mitarbeiter

Warum ist Ihnen sicheres Arbeiten wichtig? Warum sollte Ihren Mitarbeiter sicheres Arbeiten wichtig sein?
Erklären Sie, dass es Ihr Ziel ist, dass Ihre Mitarbeiter gesund in den Feierabend und später in die Rente gehen können.

3.2 Jede Kleinigkeit kann zum Tode führen

Wie vermeiden Sie den tödlichen Arbeitsunfall? Nur indem alle sicherheitsrelevanten Unzuläng-lichkeiten vermieden werden – kann der tödliche Arbeitsunfall vermieden werden! Der Mitarbeiter kann es vermeiden über ein Förderband zu steigen. Wenn der Mitarbeiter aber über das Förder-band stolpert, hat er keinen Einfluss auf die möglichen Auswirkungen. Im günstigen Fall fängt er sich auf und kommt mit dem Schrecken davon. Im ungünstigen Fall schlägt er mit dem Hinterkopf auf einen Gegenstand und ist tot.
Die Heinrich-Pyramide und ihre Konsequenzen:

 

Die Heinrich-Pyramide basiert auf den Beobachtungen des amerikanischen Versicherungsingenieurs Herbert Heinrich. Die verwendeten Zahlen stammen aus Untersuchungen bei DuPont (Käfer, 1999). Dieser statistische Zusammenhang wird in der Praxis immer wieder bestätigt, so z. B. durch die deutsche Unfallstatistik von 2008.

4. Gehen Sie mit Fehlverhalten transparent und konsequent um

Wenn Sie beobachten, wie sich jemand bewusst falsch verhält, handeln Sie konsequent. Sprechen Sie aber bereits im Vorfeld mit Ihren Mitarbeitern über mögliches Fehlverhalten und über mögliche Konsequenzen. Diskutieren Sie beispielsweise, wie Sie zukünftig damit umgehen, wenn jemand die Vorschrift „Tragen von Sicherheitsschuhen in der Produktion“ missachtet oder über Förderbänder steigt.
Mögliche Konsequenzen sind: Gespräch, Gespräch mit Notiz, Abmahnung und Kündigung .
Legen Sie vorher idealerweise gemeinsam mit den Mitarbeitern fest, welche Konsequenz zukünftig zum Beispiel das Übersteigen von Förderbändern zur Folge hat.
Und vor allem: Halten Sie sich ab dem Tag der Festlegung von Fehlverhalten und deren Konse-quenzen an das Vereinbarte! Wenn der erste Mitarbeiter gegen eine besprochene Regel verstößt, setzen Sie die angekündigte Konsequenz auch um. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner) Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz!

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Ressourcen:
Heil, K. (1996): Was bringt uns weiter – Einsicht oder Zwang? Forst und Holz, 51. Jahrgang, Nr. 21, S. 698-703.
Hochgeschurtz, Thomas (2009): Konsequent. – Das Buch zum Nicht-Technischen-Training, ikotes-Verlag, Bühl.
Käfer, Martin (1999): Das Arbeitsschutzsystem bei DuPont de Nemours, Hans Böckler Stiftung, Arbeitspapier 10, Düsseldorf.