UH61: Wie bekomme ich Führungskräfte zum Führen?
UMSETZUNGSHILFE Nr. 61
Wie bekomme ich Führungskräfte zum Führen?
September 2014, Diese UH als PDF downloaden
„Unsere Führungskräfte führen nicht!“ „Können Sie denen das beibringen?“ – so beginnen häufig Gespräche mit unseren Kunden.
Leitende Führungskräfte erkennen oft die unteren Führungsebenen als „ihr“ Problem. Obwohl im Organigramm als Führungskrafte ausgewiesen, nehmen sie ihre Führungsrolle weniger wahr, als die leitenden Führungskräfte es erwarten.
Wovon hängt es ab, ob die neuen Führungskräfte ihre Rolle annehmen? Sie werden nur Führen, wenn sie es wollen, können und dürfen. Durch die offizielle Ernennung ist das Dürfen vorhanden.
Leistung = Wollen x Können x Dürfen
In der Leistungsgleichung vermuten die leitenden Führungskräfte häufig ein Defizit im „Können“. Wir stellen hingegen häufig ein Problem im „Wollen“ fest.
Die Leitenden erwarten von ihren Führungskräften, dass sie die Position des Unternehmens vertreten. Das erste Problem: Alle Führungskräfte unterliegen dem Dilemma des Sandwich-Managers.
1. Das Dilemma der Sandwich-Manager
Stellen Sie sich einen Werkleiter in Hamburg vor, der für einen Konzern in München arbeitet. Die Erwartung der Konzernspitze an den Werkleiter ist, dass er der Vertreter des Konzerns im Werk Hamburg ist. Die Erwartung der Mitarbeiter im Werk Hamburg ist jedoch, dass der Werkleiter die Interessen des Werks bei der Konzernspitze in München vertritt.
Was tut der Werkleiter nun? Ist er mehr Konzern-Vertreter, oder mehr Werk-Vertreter? Die Praxis zeigt, dass die Positionierung des Werkleiters individuell ist und sich mit der Zeit verändert.
In der Regel vertritt er anfangs stärker die Konzern-Interessen, da er ja auch vom Konzern eingesetzt wurde. Im täglichen Geschäft hat der Werkleiter allerdings deutlich mehr soziale Kontakte in sein Werk hinein, als zum Konzern. So entstehen soziale Verbindungen und er lernt, die Leistung seiner Mitarbeiter vor Ort anzuerkennen. Dazu kommt ein Betriebsrat, der ein klares Bekenntnis zum Standort erwartet.
Mit wachsender Verweilzeit auf der Werkleitung, fällt es dem Werkleiter schwerer Entscheidungen für den Konzern und gegen „seine“ Mitarbeiter durchzusetzen. Nun wechseln auch noch die Vorgesetzten im Konzern. Wie würden Sie sich als Werkleiter entscheiden?
Die gleiche Situation stellen wir uns nun bei einem fachlich versierten, ambitionierten Mitarbeiter vor, der in einem Montageteam als Maschinen-Einsteller positiv auffällt. Wir befördern diesen zum Vorgesetzten des Montageteams.
- Die Erwartung der Produktionsleiters ist: „Vertritt die Firmeninteressen gegenüber deinen Mitarbeitern (und ehemaligen Kollegen).“
- Die Erwartung der Mitarbeiter ist: „Vertritt unser Team gegenüber der Produktionsleitung. Setze endlich das durch, was Du als Kollege im Pausenraum immer beklagt hast.“
- Dazu kommt ein Betriebsrat, der die neue Führungskraft gerne daran erinnert, woher diese kommt.
Die einfache Erwartung an die Führungskräfte der ersten Ebenen: „Verhalte dich wie eine Führungskraft, da Du eine bist“, reicht nicht aus. Bringen Sie die Führungskraft dazu, führen zu müssen! Diese Umsetzungshilfe zeigt ihnen verschiedene Möglichkeiten, wie Sie Ihre Führungskräfte zum Führen bekommen.
2. Lassen Sie keine Pseudo-Hierarchien zu
Im Rahmen von Fehlzeitenaudits überprüfen wir, ob die Mitarbeiter überhaupt wissen, wer ihr direkter Vorgesetzter ist. Zuerst fragen wir das Management, wer der Vorgesetzte der befragten Mitarbeiter ist. Anschließend fragen wir im Rundgang die Mitarbeiter vor Ort, wer denn ihr Vorgesetzter ist. Die Ergebnisse sind oft schockierend. Nicht nur, dass wir von den Mitarbeitern andere Namen hören, als vom Management. Die Mitarbeiter eines Teams nennen auch noch mehrere Namen.Wen nehmen die Mitarbeiter dann als Führungskraft wahr?
Der häufigsten Fehler:
Unternehmen „gönnen“ sich in operativen Bereichen große Führungsspannen. Ein Fertigungsmeister hat oft 100 und mehr Mitarbeiter. Das ist nicht zu leisten, also werden offiziell oder inoffiziell „Pseudo-Hierarchien“ aufgebaut. Diese heißen oft Vorarbeiter, Einsteller, Maschinenführer oder Gruppensprecher.
Diese „Pseudo-Hierarchien“ führen die Mitarbeiter dann fachlich, aber nicht disziplinarisch. Der Meister übernimmt die Vertretung des Teams nach außen, seine (nennen wir sie) Vorarbeiter führen das Team vor Ort.
Die leitenden Führungskräfte glauben, dass die Meister die Mitarbeiter führen, die Meister glauben, dass die Vorarbeiter die Mitarbeiter führen und die Vorarbeiter denken, dass sie keine Führungskräfte sind, wodurch letztlich niemand die Mitarbeiter führt.
Wenn sie jetzt die Mitarbeiter nach ihrem Vorgesetzten fragen, hören Sie drei Namen, den des Abteilungsleiters, des Meisters und des Vorarbeiters. Testen Sie es selbst aus und lassen Sie eine neutrale Person in Ihrer Abteilung nach den Namen der jeweiligen Vorgesetzten fragen.
Sorgen Sie für kleine Führungsspannen und klare Hierarchien. Jeder Mitarbeiter muss wissen, wer seine Führungskraft ist.
3. Bringen Sie Ihre Führungskräfte in Ergebnisverantwortung
Viele produzierende Unternehmen im 3-Schicht-Betrieb arbeiten mit Schichtmeistern. Das führt dazu, dass die Führungskräfte die Schicht optimieren, aber nicht die Maschinen. Der erste Verantwortliche für das gesamte Maschinenergebnis ist dann oft erst der Produktionsleiter.
Nur wenn die Führungskraft an einem Ergebnis klar messbar ist, wird diese Verantwortung für das Ergebnis übernehmen. Weiterhin muss die Führungskraft auch noch die wesentliche Ressource zur Ergebnisbeeinflussung in der Hand haben: die Mitarbeiter.
Vorgesetzte sollten nicht nur mitarbeiterverantwortlich sein, sondern auch und vor allem ergebnisverantwortlich.
Tipp für den Schichtbetrieb
Geben Sie die Schichtorientierung auf. Teilen Sie Maschinen und Aufgaben in Verantwortungsbereiche und verteilen Sie ihre ehemaligen Schichtmeister auf die Verantwortungsbereiche. War der Schichtmeister in der alten Struktur für das Ergebnis seiner Schicht und seine Mitarbeiter auf der Schicht verantwortlich, so ist er in der neuen Struktur für das Ergebnis seines Bereichs verantwortlich.
Hat er in der alten Struktur die Schicht optimiert, optimiert er in der neuen Struktur das Gesamtergebnis seines Bereichs.
Sie fragen sich, wer nun auf die Schichtmitarbeiter aufpasst, wenn der Schichtmeister nun z. B. in Tagschicht arbeitet? Lesen Sie die UH57- Den Handlungsspielraum Ihrer Mitarbeiter erhöhen, dann kennen Sie die Antwort.
Wichtig:
Lassen Sie die erste Führungsebene jeden Monat einen Monatsbericht und eine Scorecard über das Ergebnis ihres Verantwortungsbereichs erstellen. Führen Sie die Führungskräfte über diese Monatsberichte. Nur wenn Führungskräfte für das Ergebnis eines klar definierten Bereichs und die Mitarbeiter dieses Bereichs verantwortlich sind, werden sie Führungsaufgaben wahrnehmen.
4. Bringen Sie Ihre Führungskräfte in Entscheidungsverantwortung
Führen Sie regelmäßig eine Potenzialanalyse gemeinsam mit den Führungskräften durch.
Ziel der Potenzial-Analyse ist eine einheitliche Sichtweise ihrer Führungskräfte auf die Potenziale ihrer Mitarbeiter. In einem gemeinsamen Workshop mit den Führungskräften entsteht eine Liste mit Stärken und Schwächen aller Mitarbeiter.
In der Potenzialanalyse müssen die Führungskräfte Position zu den Potenzialen der Mitarbeiter beziehen. Sie müssen sich in der Gruppe der Führungskräfte inklusive des eigenen Chefs klar bekennen, was gute Leistung ist und wann ein Mitarbeiter weniger gut leistet. Die Führungskraft muss dabei ihre Bewertung anhand konkreter Beispiele begründen.
Am Ende werden konkrete Entwicklungspläne für auffällig gute Mitarbeiter und entwicklungsbedürftige Mitarbeiter festgelegt. Die Führungskraft wird bezüglich ihrer Führungsarbeit messbar.
5. Vermeiden Sie Solidarisierung mit den Mitarbeitern durch Jobrotation
Vermeiden Sie den Kaminaufstieg in der direkten Linie. Wenn Sie den besten Konstrukteur zum Konstruktionsleiter machen, haben Sie gleich mehrere Kardinalsfehler begangen:
- Sie haben den besten Konstrukteur verloren
- Sie haben eine gute Fachkraft eventuell zu einer schlechten Führungskraft gemacht.
- Der neue Konstruktionsleiter führt seine Mitarbeiter fachlich, da er es kann.
- Sie haben einen Kollegen zum Vorgesetzten gemacht.
Es ist besser, Mitarbeiter nicht vom Kollegen zum direkten Vorgesetzten zu machen, sondern quer zu befördern. Wenn die neue Führungskraft sich in ihrer ersten Führungsaufgabe fachlich nicht gut auskennt, muss sie sich auf ihre Führungsaufgaben konzentrieren. Die neue Führungskraft lernt dann führen.
Je länger Sie anschließend die Führungskraft mit einem Team arbeiten lassen, desto größer ist die Gefahr, dass sich der Vorgesetzte eher mit den Mitarbeitern, als mit dem Unternehmen identifiziert. Wenn Sie dies beobachten, ist die Nähe zu den Mitarbeitern zu dicht geworden. Der Führungskraft fehlt die nötige Distanz, um auch im Sinne des Unternehmens unangenehme Ent-scheidungen durchzusetzen. Sie erhalten diese notwendige Distanz, indem Sie bei Bedarf die Vorgesetzten rotieren lassen.
Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert + Thomas Hochgeschurtz
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Ressourcen:
Briegert, E. & Hochgeschurtz, Th. (2011): Führung, ikotes Verlag Bühl
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