UH67: Einsicht erzeugen
UMSETZUNGSHILFE Nr. 67
Einsicht erzeugen
2. überarbeitete Auflage vom 27. April 2025
Einsicht bedeutet, dass jemand nachvollzieht, aus welchem Grund ein bestimmtes Verhalten sinnvoll oder notwendig ist – und sein Verhalten daraufhin freiwillig verändert. Die Tochter erkennt, dass es sinnvoll ist, die Schuhe vor der Tür auszuziehen, und tut es deshalb freiwillig. Einsicht erzeugt Wollen – Konsequenz hingegen Müssen.
Ihre Umsetzungshilfe kompakt:
- Ohne Vertrauen keine Offenheit – und ohne Offenheit keine Einsicht.
- Einsicht entsteht im Kopf – nicht durch Ansage, sondern durch Anstoß.
- Einsicht braucht persönliche Relevanz – nicht fremde Erwartungen.
- Soziale Bewährtheit wirkt – besonders im vertrauten Umfeld.
- Was öfter gedacht wird, wird irgendwann geglaubt.
- Drohen heißt zwingen – Einsicht heißt verstehen und wollen.
Wie gelingt es, Verhalten auf freiwilliger Basis zu beeinflussen?
Ihre Umsetzungshilfe Nr. 67 zeigt Ihnen sechs Wege auf, wie Sie mit Einsicht nachhaltige Veränderungen anstoßen können.
(Lesezeit: ca. 6 Minuten)
1. „Vertrauen öffnet die Tür – Einsicht bringt den Schritt hindurch“
Menschen lassen sich eher von Personen überzeugen, denen sie vertrauen. Vertrauen schafft Offenheit – und damit die Grundlage für Einsicht. Je größer das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter in Sie ist, desto eher sind sie bereit, sich mit Ihren Argumenten auseinanderzusetzen und ihr Verhalten freiwillig zu verändern. Wie Sie dieses Vertrauen gezielt aufbauen, erfahren Sie in Ihrer Umsetzungshilfe Nr. 65: Vertrauen.
2. Wo entsteht Einsicht?
Einsicht entsteht im Kopf – durch Nachdenken. Um Einsicht zu fördern, ist es hilfreich, das Gegenüber zum Nachdenken zu bringen.
Und wie gelingt das am einfachsten?
Durch Fragen. Gut gewählte Fragen laden zum Nachdenken ein. Wer fragt, sollte auch Denkpausen zulassen – denn erst im stillen Moment beginnt der Prozess der Einsicht.
Ein Beispiel: Wie könnten Sie Einsicht dafür fördern, dass es sich lohnt, krankheitsbedingte Fehlzeiten im Team zu senken?
Stellen Sie sich vor, sie stehen vor Ihrem Team und fragen: „Wie viel Geld könnten wir einsparen, wenn wir die Fehlzeiten um einen Prozentpunkt senken würden?“
Diese Frage regt zwar zum Nachdenken an, führt aber selten zu echter Einsicht. Denn wer profitiert von der Einsparung? Wo ist der persönliche Bezug? Solche Fragen schaffen vielleicht Verständnis – aber keine Einsicht.
Denn Verständnis heißt, den Grund zu kennen. Einsicht heißt, entsprechend zu handeln. Ich verstehe nicht nur, warum geringe Fehlzeiten sinnvoll sind – ich leiste bewusst meinen Beitrag dazu.
Was könnte also eine bessere Frage sein?
Zum Beispiel: „Was bedeutet es für Dich, wenn dein direkter Arbeitskollege krankheitsbedingt ausfällt?“
Diese Frage schafft Nähe zur eigenen Realität.
3. Gibt es ein Motiv für ein verändertes Verhalten?
Motivation ist der Grund, etwas zu tun. Wer sein Verhalten ändern soll, braucht einen eigenen Grund – etwas, das aus der Person selbst heraus Sinn ergibt.
Ein Beispiel: Wie bringt man andere dazu, einen an der Warteschlange am Kopierer vorzulassen? Die Bitte: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Könnten Sie mich bitte vorlassen?“, führte bei 60 Prozent der Gefragten zum Erfolg. Wenn jedoch der Grund ergänzt wurde – „… weil ich es eilig habe“ -, gaben 94% der Befragten den Vortritt.
Das zeigt: Ein nachvollziehbarer Grund erhöht die Bereitschaft zur Kooperation – auch bei kleinen Dingen.
Zurück zum Krankenstand: Lohnfortzahlungskosten sind zwar ein objektiver Grund für das Unternehmen, aus Sicht der Mitarbeiter aber oft wenig überzeugend. Die Frage lautet daher: Welchen persönlichen Vorteil hätten die Mitarbeiter, wenn der Krankenstand im Team niedrig wäre?
Ein niedriger Krankenstand bedeutet für jedes Teammitglied weniger Stress – weniger Vertretung, stabilere Abläufe, bessere Stimmung. Genau hier kann die Führungskraft ansetzen, um Einsicht zu fördern.
„Was bedeutet es für unser Team, wenn jemand krankheitsbedingt ausfällt?“
Solche Fragen regen dazu an, den eigenen Vorteil zu erkennen – und geben dem Verhalten einen persönlichen Sinn. Die Mitarbeiter liefern sich die Antwort selbst – und damit auch die Motivation, ihr Verhalten zu ändern.
4. Was meinen die Kollegen?
Bei der Entscheidung, welches Verhalten richtig ist, orientieren wir uns oft daran, was andere für richtig halten. Was viele Leute tun, wirkt automatisch glaubwürdiger und „richtig“. Dieses Prinzip der sozialen Bewährtheit entfaltet besonders starke Wirkung, wenn die anderen Personen uns ähnlich sind- zum Beispiel die Kollegen im eigenen Team.
Wenn Sie davon ausgehen, dass die Mehrheit im Team zu einem bestimmten Thema bereits einsichtig ist, bietet es sich an, dieses Thema im Team zu besprechen.
Im Beispiel zum Krankenstand ergibt es einen Unterschied, wer sagt, dass hohe Fehlzeiten zu Mehrarbeit führen: Wenn die Aussage von Kollegen kommt, wirkt sie stärker als vom Vorgesetzten. Die Botschaft wird als Erfahrung aus dem Alltag wahrgenommen – nicht als „Ansage von oben“.
5. Sprechen Sie oft genug darüber?
Einsicht entsteht selten beim ersten Gespräch. Oft braucht es mehrere Anstöße, bis ein Gedanke „klick“ macht und sich das Verhalten verändert. Neue Informationen verinnerlichen wir nicht sofort. Studien zeigen: Wir brauchen Wiederholung, manchmal fünf- bis sechsmal, bis ein Gedanke wirklich im Kopf bleibt.
Je häufiger ein Thema präsent ist – im Gespräch, im Alltag, in der Praxis – desto eher verändert sich die eigene Haltung dazu. Einsicht entsteht nicht durch einmalige Impulse, sondern durch kontinuierliches Wiedererkennen und Nachdenken.
Sprechen Sie deshalb regelmäßig über das, was Ihnen wichtig ist. Machen Sie Ihr Thema auch zum Thema Ihrer Mitarbeiter – durch Gespräche, Rückfragen, kurze Impulse im Alltag.
6. Eine Warnung: Drohungen erzeugen Widerstand – nicht Einsicht
Einsicht setzt Freiwilligkeit voraus. Wer aus Einsicht handelt, tut es aus Überzeugung – nicht aus Angst vor der Strafe.
Drohen oder Druck erzeugen zwar manchmal kurzfristige Verhaltensanpassung, führen aber selten zu echter Einsicht. Im Gegenteil: Wer sich unter Druck gesetzt fühlt, reagiert oft mit innerem Widerstand. Die Psychologie spricht hier von Reaktanz – dem Impuls, sich gegen empfundene Einschränkungen der eigenen Freiheit zu wehren.
Typisch sind Gedanken wie:
„Jetzt erst recht nicht.“ Oder „Das lasse ich mir nicht vorschreiben.“
Gerade bei sensiblen Themen – wie z.B. hohe Fehlzeiten – lohnt es sich, nicht mit Sanktionen oder Vorwürfen zu arbeiten, sondern mit Fragen, Perspektivwechseln und Gesprächsangeboten. So entsteht Einsicht auf freiwilliger Basis – und damit tragfähiger und nachhaltiger.
Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz
Ihr Service:
Möchten Sie Führung verbessern?
- Erfolgreich Gespräche führen?
- Krankheitsbedingte Fehlzeiten reduzieren?
- Arbeitsunfälle vermeiden?
Nutzen Sie unsere offenen Seminare! Wir kommen auch zu einer Inhouse-Schulung in Ihr Unternehmen! Schicken Sie eine E-Mail an: kontakt@briegert-hochgeschurtz.com oder besuchen Sie unsere Homepage für weitere Informationen.
Ressourcen:
Abrams, D., Wetherell, M., Cochrane, S., Hogg, M.A. & Turner, J.C. (1990): Knowing what to think by knowing who you are. British Journal for Social Psychology, 29, 97-119.
Bastardi, A. & Shafir, E. (2000): Noncosequential reasoning and its consequences. Current Directions in Psychological Science, 9, 216-219.
Briegert, E. & Hochgeschurtz, Th.: Erfolgreiche Überzeugungsstrategie, Umsetzungshilfe Nr. 17
Briegert, E. & Hochgeschurtz, Th. (2011): Führung, ikotes, Bühl.
Briegert, E. & Hochgeschurtz,Th.: Fragetechnik: Wer richtig fragt, führt. Umsetzungshilfe Nr. 32
Cialdini, R.B. (2013): Die Psychologie des Überzeugens – Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen. 7.Auflage, Hans Huber, Hogrefe AG, Bern.
Lun, J., Sinclair, S., Whitchurch, E.R. & Glenn, C. (2007): (Why) do I think what you think? Epistemic social tuning and implicit prejudice. Journal of Personality and Social Psychology, 93, 957-972.
UH68: Mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten