Umsetzungshilfe 38: Fehlzeitengespräch

Gespräche wegen Krankheit
Teil 2: Fehlzeitengespräch

2. überarbeitete Auflage vom 23. April 2022

Sie können krankheitsbedingte Fehlzeiten beeinflussen, indem Sie das Verhalten der betroffenen Personen beeinflussen. Dies gelingt durch gute Gespräche mit Ihren Mitarbeitenden.
Gute Fehlzeitengespräche erzeugen Einsicht beim Mitarbeitenden, dass diese ihre Arbeitsunfähigkeit beeinflussen und somit krankheitsbedingte Fehltage reduzieren können.
Diese Umsetzungshilfe zeigt Ihnen, wie Sie beim „vom Mitarbeitenden beeinflussbaren Fehlzeiten“ richtig mit den betroffenen Personen sprechen.

1. Keine Gießkanne

Jeder Fall ist anders, deshalb lassen sich Gespräche wegen Arbeitsunfähigkeit nicht formalisieren. Im Gegenteil, standardisierte Gespräche sind schädlich. Wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht durch den Mitarbeitenden beeinflussbar ist, dann demotivieren Fehlzeitengespräche (siehe UH22: Fehlzeiten durch Motivation reduzieren).
Beispiel: Dem Vorgesetzten ist das Fehlzeiten-Gespräch mit einem Mitarbeiter nach einem Autounfall mit Armbruch unangenehm. Er weiß, dass dieses Gespräch sinnlos ist, da der Mitarbeiter keine erneute Arbeitsunfähigkeit vermeiden kann. Er hatte „einfach“ Pech – eine Verhaltensänderung ist nicht möglich. Demotivation entsteht, weil ein standardisiertes System den Vorgesetzten zu diesem Fehlzeitengespräch zwingt.
„Du weißt ja, dass ich dieses Gespräch führen muss. Das System ist schuld…“
Mit solchen Aussagen entwerten Vorgesetzte die Wirkung aller sinnvollen Fehlzeitengespräche. Denn was wird der Mitarbeiter seinen Kolleg:Innen über das Gespräch berichten?
Überlassen Sie es den Vorgesetzten zu entscheiden, mit welchen Personen sie welche Gespräche führen. Messen Sie die Vorgesetzten am Ergebnis, nicht an der Prozess-Erfüllung.

2. Treffen Sie die Richtigen

Gute Vorgesetzte haben die krankheitsbedingten Fehlzeiten ihrer Mitarbeitenden nach zwei Kategorien über die letzten drei bis vier Jahre ausgewertet:

  • Anzahl der Fehltage
  • Verteilung der Fehltage

Schauen wir auf die Auswertung einer Führungskraft:

Mit wem sollte die Führungskraft sprechen?
Richtig, mit Allen. Nur die Art des Gesprächs unterscheidet sich. Denken Sie dran: Das Ziel des Fehlzeitengesprächs ist Verhaltensänderung. Bei welchen Personen sehen Sie die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Veränderung?

3. Das Begrüßungsgespräch

Die Person A hat die höchste Zahl an Arbeitsunfähigkeits-Tagen. Trotzdem hier hilft kein Fehlzeitengespräch. Die Vorgesetzten werden die Gründe in der Regel kennen. Aufgrund des einmaligen Ereignisses wird es sich um „vom Mitarbeitenden unbeeinflussbare Arbeitsunfähigkeit“ handeln. Hier reicht ein Begrüßungsgespräch. Freuen Sie sich, dass A wieder da ist. Die Grundregeln des Begrüßungsgesprächs erfahren Sie in der UH36 Begrüßungsgespräch.
Auch bei den Personen B, C, D und E führen Sie als direkte Führungskraft Begrüßungsgespräche. Zeigen Sie den Mitarbeitenden, dass Sie die Abwesenheit bemerkt haben.

4. Das „Null-Tage“ Gespräch = Anerkennungs-Gespräch

Sie haben genug unangenehme Gespräche zu führen. Führen Sie auch mal ein angenehmes Gespräch zum Thema Fehlzeiten. Gehen Sie persönlich zu den Mitarbeitenden, die im letzten Jahr keine Arbeitsunfähigkeits-Tage hatten.
Bedanken Sie sich bei diesen Personen, dass sie im letzten Jahr immer da waren. Die Grundregeln zum Anerkennungsgespräch finden Sie ebenfalls in der Umsetzungshilfe 36.
Und gehen Sie persönlich zu der Person, denn die knappste Ressource, die Sie haben, ist Ihre Zeit. Das weiß Ihr Mitarbeitender ganz genau. Prämien oder andere Aufmerksamkeiten führen in die Tretmühle extrinsischer Motivation und schaden mittelfristig sogar.
Bedenken Sie, dass die Anwesenheit des Mitarbeitenden mit dem Entgelt bereits abgegolten ist. Oder zahlen Sie privat Dinge, die Sie schon bezahlt haben, noch ein zweites Mal?

5. Das Fehlzeitengespräch

Bei auffälliger Statistik (in der Tabelle z. B. die Personen B und D) laden Sie diese Person zu einem Fehlzeitengespräch ein. So sollten zum Beispiel Personen, die im Alter von 40 Jahren jedes Jahr bereits 15 bis 25 Fehltage haben, Ihr Interesse wecken. Was glauben Sie, wie viele Fehltage diese Personen in fünf bis zehn Jahren haben? Weniger? Vermeiden Sie schon heute die schwierigen Fälle von Morgen.
Das Fehlzeitengespräch findet in der Regel nicht direkt nach der Arbeitsunfähigkeit statt, sondern, wenn Sie als Führungskraft Zeit und Energie für ein solches Gespräch haben. Laden Sie die Person morgens für einen Termin mittags bei Ihnen im Büro ein.
Nach der Begrüßung sagen Sie der Person als erstes so genau wie möglich den Grund des Gesprächs. Dabei beschreiben Sie nur, bewerten Sie nicht:
„Du bist hier, weil Du sechsmal zwei Tage arbeitsunfähig warst, sechsmal montags und dienstags und einmal fünf Tage.“
Benutzen Sie keine wertenden Begriffe, wie „auffällig“, „häufig“, „ständig“. Das unterstellt „blaumachen“ und damit ist das Fehlzeitengespräch bereits gescheitert. 90% aller Fehlzeitengespräche werden mit dem ersten Satz „versenkt“, da im Eifer des Gefechts der Führungskraft doch eine Wertung der Fehlzeiten „rausrutscht.“
„Sind deine Arbeitsunfähigkeiten betrieblich bedingt?“
90% der Mitarbeiter sagen an dieser Stelle, dass es nicht mit der Tätigkeit zusammenhängt.

Krankheit hängt mit der Tätigkeit zusammen

Meint die Person, dass es an der Tätigkeit liegt, plausibilisieren Sie diese Aussage.
Wenn Sie skeptisch sind (was Sie an dieser Stelle sein sollten!), dann fragen Sie, warum andere Personen auf dem gleichen Arbeitsplatz weniger arbeitsunfähig sind. Ihr Kernargument: „Wenn andere Personen auf dem gleichen Arbeitsplatz weniger arbeitsunfähig sind, muss die Ursache persönlich sein und nicht am Betrieb liegen.“
Wenn Sie den betrieblichen Grund der Person als Ursache für die häufigen Fehlzeiten nachvollziehen können (was bei „vom Mitarbeitenden beeinflussbarer Arbeitsunfähigkeit“ die Ausnahme ist), dann fragen Sie, was die Person vorschlägt:
„Was schlägst Du vor, um den betrieblichen Grund zu beseitigen?“
Seien Sie an dieser Stelle geduldig. Auch wenn Ihnen fünf großartige Ideen kommen, lassen Sie der Person selbst einen Vorschlag machen. Moderieren Sie sie zu einer akzeptablen Lösung, aber geben Sie die Lösung nicht vor. Damit die Maßnahme funktioniert, muss sie von der Person vorgeschlagen werden. Wenn die Person einen Vorschlag macht, der umsetzbar ist, stellen Sie eine letzte Frage, bevor Sie zur Umsetzung schreiten:
„Sinkt dein Krankenstand, wenn wir diese betriebliche Maßnahme umgesetzt haben?“
Antwortet der Mitarbeiter nicht mit „ja“, beginnen Sie mit dem Gespräch von vorne. Antwortet der Mitarbeiter mit „ja“, dokumentieren Sie das Gespräch und legen einen Folgetermin fest.

Krankheit hängt nicht mit der Tätigkeit zusammen

Wenn die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit nicht mit der Tätigkeit zusammenhängt, muss sie im persönlichen Umfeld der Person liegen. Damit ist das Gespräch nicht beendet. Fragen Sie die Person nach einer persönlichen Maßnahme.
„Was unternimmst Du, um deine Fehlzeiten zu reduzieren?“
Lassen Sie die Person erst aus dem Gespräch, wenn sie eine persönliche Maßnahme nennt. Bleiben Sie Ihrer Argumentationskette treu:
„Wenn die Ursache für siebzehn Tage Arbeitsunfähigkeit nicht aus dem betrieblichen Umfeld kommt, dann kommt sie aus deinem persönlichen Umfeld. Dann musst Du eine Maßnahme aus deinem persönlichen Umfeld nennen.“
Sobald die Person eine persönliche Maßnahme nennt, haben Sie Ihr Ziel erreicht und können das Gespräch zum Ende führen.

6. Erzeugen Sie Verbindlichkeit

  • Dokumentieren Sie den Grund für das Gespräch, also die genauen Fehltage der Person.
  • Dokumentieren Sie die Maßnahme. Das ist das WICHTIGSTE.
  • Dokumentieren Sie NIEMALS Diagnosen.
  • Legen Sie einen Termin für ein Folgegespräch fest. In der Regel in 3-4 Monaten.
  • Unterschreiben Sie die formlose Gesprächsnotiz zuerst und lassen dann die Person unterschreiben. Manchmal dauert das Gespräch nur 30 Sekunden und der Kampf um die Unterschrift 10 Minuten. Kämpfen Sie für die Unterschrift, sie erzeugt Verbindlichkeit.
  • Erstellen Sie kein Formblatt. Das erzeugt Mitbestimmungspflicht und Misstrauen.
  • Geben Sie der Person eine Kopie der Gesprächsnotiz mit.
  • War die Maßnahme nicht erfolgreich, warten Sie nicht bis zum nächsten Termin. Laden Sie die Person bei erneuter beeinflussbarer Arbeitsunfähigkeit direkt zum Folgegespräch ein und legen Sie neue Maßnahmen fest.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)
Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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