Umsetzungshilfe Nr. 74: Vertrauens-Urlaub

Vertrauensurlaub

Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern

Wollen Sie Verschwendung vermeiden, oder wollen Sie lieber nur darüber reden? Wollen Sie eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter? Oder wollen Sie als Chef lieber doch alles entscheiden?
Wenn Sie die letzten zwei Fragen mit „nein“ beantwortet haben, lesen Sie unbedingt weiter. Wenn Sie die letzten zwei Fragen mit „ja“ beantwortet haben, können Sie weiterlesen, aber es wird Ihnen wenig Spaß machen.
Was ist eigentlich Verschwendung?
Alles, wofür Ihr Kunde bereit ist zu bezahlen, ist wertschöpfend. Der Rest ist Verschwendung. Wenn Sie mit dieser Sicht von Verschwendung durch Ihr Unternehmen gehen, werden Sie nervös.
In der UH31 lesen Sie, wie Unternehmen flexibel arbeiten können, ohne Arbeitszeit zu erfassen. Wenn wir diese Gedanken weiterentwickeln, liegt es nahe, nicht nur die Zeiterfassung in Frage zu stellen, sondern auch die Erfassung von Urlaubstagen.

1. Können Ihre Mitarbeiter bis 30 zählen?

Garantiert können Ihre Mitarbeiter das. Sonst hätten Sie nicht die Ruhe, diese Umsetzungshilfe zu lesen. Wenn Ihre Mitarbeiter nicht bis 30 zählen könnten, müssten Sie jetzt panisch in Ihrem Unternehmen herumlaufen und retten, was nicht mehr zu retten ist.
Wenn Ihre Mitarbeiter bis 30 zählen können, warum können die Mitarbeiter dann nicht Ihre 30 Tage Urlaub (angenommen, sie haben einen Anspruch auf 30 Urlaubstage) selbst zählen?
Das Erfassen von Urlaubstagen ist kein wertschöpfender Prozess und Ihr Mitarbeiter beherrscht diesen Prozess ohne Schulung oder Mehraufwand.

2. Wieviel Euro ist ein Urlaubstag wert?

Ihr Vertriebsmitarbeiter betreut Kunden, mit denen Sie 50.000 Euro Umsatz im Jahr machen. Ihr Produktionsmitarbeiter bedient eine Maschine, die ein Millionen Euro gekostet hat. Ihr IT Mitarbeiter betreut Hard- und Software, von der das gesamte Unternehmen abhängt.
Aber wenn diese drei Mitarbeiter einen Urlaubstag wollen, müssen sie eine einzelvertragliche Vereinbarung mit dem Chef treffen. Sie müssen einen Urlaubsantrag stellen. Wie passt das zusammen? Gar nicht!
Wenn ein Mitarbeiter 30.000 Euro im Jahr kostet und 200 Tage arbeitet, kostet ein Urlaubstag 150 Euro. Wegen 150 Euro muss der Mitarbeiter einen Urlaubsantrag ausfüllen, zum Chef gehen, den von der Arbeit abhalten und eine Unterschrift einholen. Wäre es nicht besser, wenn er einen weiteren Kunden anruft, einen zusätzlichen Auftrag fertigt oder einem User ein IT-Problem löst?

3. Wieviel Mitarbeiter stehen morgens auf, um ihr Unternehmen zu betrügen?

Vielleicht denken Sie an dieser Stelle: „Aber dann nimmt der Mitarbeiter einfach 31 Tage!“ Haben Sie so wenig Vertrauen in Ihre Mitarbeiter? Und wenn Ihr bester Mitarbeiter 31 Urlaubstage nehmen würde, wie hart würde das Ihr Unternehmen treffen?
„Aber mein schlechtester Mitarbeiter würde dann 31 Tage nehmen“, denken Sie vielleicht. Glauben Sie allen Ernstes, dass Ihr schlechtester Mitarbeiter durch die Erfassung von Urlaubstagen eine Minute mehr arbeitet, als ohne die Erfassung von Urlaubstagen? Die Mitarbeiter die frei haben wollen und keinen Urlaubstag investieren möchten, lösen das anders, und dafür brauchen sie keine Genehmigung.
Vertrauensurlaub basiert auf Vertrauen, nicht auf Misstrauen. Das Unternehmen vertraut darauf, dass der Mitarbeiter die ihm zustehende Anzahl an Urlaubstagen nimmt, der Mitarbeiter vertraut darauf, dass er noch zwei Urlaubstage bekommt, wenn er sagt, dass ihm noch zwei Tage zustehen.
Für den größten Teil Ihrer Belegschaft ist Vertrauensurlaub ein (weiterer) Schritt in Richtung Vertrauens-Kultur in Ihrem Unternehmen. Und genau deswegen lohnt es sich über dieses einfache aber ungewöhnliche Konzept nachzudenken. Das Risiko ist klein, aber die Wirkung groß.
Für den kleinen Teil der Belegschaft, der Ihr Unternehmen sowieso betrügt, ändert sich nichts. Außer, dass der Betrug nun keinen mehr interessiert.

4. Vertrauensurlaub, aber wie?

Betriebsrat und Geschäftsleitung schließen eine Betriebsvereinbarung ab, in der ab einem bestimmten Zeitpunkt (ideal ist ein Jahresanfang) die Urlaubserfassung, das Führen von Urlaubskonten, Urlaubsauswertungen usw. abgeschafft wird. Natürlich müssen die Mitarbeiter zum Vertrauensurlaub geschult werden.
Dabei sollten Antworten auf folgende Fragen gegeben werden können. Unsere Vorschläge für Ihre FAQs zum Vertrauensurlaub:

1. Was passiert mit dem Urlaubsgeld?
Urlaubsdurchschnitte werden für den tariflichen Urlaub gewährt. Für die Berechnung der Urlaubsdurchschnitte wird eine gleichmäßige Verteilung des tariflichen Urlaubs auf 12 Monate angenommen. Dies hat sich in der Praxis bewährt.

2. Kann ich jetzt Urlaub machen, wann und wie ich will?
Nein. Vertrauensurlaub heißt, der Mitarbeiter spricht seinen Urlaub mit seinem Team und seiner Vertretung ab. Der Mitarbeiter spart sich jedoch den Genehmigungsprozess mit seinem Chef. Der Mitarbeiter und der Vorgesetzte sparen sich den Genehmigungsprozess. Das Unternehmen spart sich die Erfassung und Verwaltung von Urlaubstagen.

3. Wie planen wir den Sommerurlaub?

Wie bisher. Jedes Team plant den Sommerurlaub in Abhängigkeit von der Auftragslage. Dabei orientiert sich die Lage und Dauer des Urlaubs an den Arbeitsaufgaben, den betrieblichen Abläufen und Belangen sowie den Abstimmungen innerhalb des Teams.

4. Was ist mit meinem Resturlaub am 31.12.?
Der Resturlaub verfällt am 31.12. jeden Jahres. Der kluge Mitarbeiter nimmt im Folgejahr so viele Urlaubstage mehr, wie am 31.12. des Vorjahres verfallen sind.

5. Was ist mit den bisherigen Rückstellungen für Urlaubstage in der Bilanz?
Diese Rückstellung und das Zusammentragen der Daten entfällt, da der gesamte Urlaub am 31.12. verfällt.

6. Was bedeutet das für die Führungskraft?

  1. Die Führungskraft muss eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter wollen. Das muss er als Erwartung klar formulieren und mit seinem Team besprechen. Das ideale Werkzeug dafür ist das Nicht-Technische-Training.
  2. Die Führungskraft darf sich bei Konflikten über Urlaubstage nicht vor den Karren spannen lassen. Die Führungskraft moderiert die Konfliktgespräche , sie entscheidet nicht über den Urlaub. Entscheidet die Führungskraft einmal über den Urlaub, wird sie in Zukunft immer über den Urlaub entscheiden. Die Führungskraft muss in diesem Führungsstil ausgebildet werden.

Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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