UH68: Mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten

UMSETZUNGSHILFE Nr. 68
Mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten

 

Juni 2015, Diese UH als PDF downloaden


„Wer ist mächtiger: der Geschäftsführer oder der Betriebsratsvorsitzende eines Unternehmens?“

Diese Frage stellte mir mein alter Meister während meiner Ausbildung zur Führungskraft. Dann erklärte er mir:
„Der Geschäftsführer kann den Betriebsratsvorsitzenden nicht entlassen. Der Betriebsratsvorsitzende kann aber dafür sorgen, dass der Geschäftsführer entlassen wird.

Ob ein Betriebsrat für ein Unternehmen Fluch oder Segen ist, hängt zu großen Teilen am Verhalten der Führungskräfte.
Was Sie tun können, damit Ihr Betriebsrat ein Segen ist, beschreibt diese Umsetzungshilfe.

 

1. Helfen Sie dem Betriebsrat bei seiner Aufgabe

Nörzig hat sich erneut nicht rechtzeitig arbeitsunfähig gemeldet. Da sein Vorgesetzter mit ihm vor drei Monaten zu diesem Sachverhalt ein Gespräch mit Notiz geführt hat, führt die Wiederholung des Fehlverhaltens zu einer Abmahnung.

Variante 1: Der Vorgesetzte Brüggel bittet Nörzig zum Gespräch und informiert ihn, nachdem der Sachverhalt geklärt worden ist, dass eine Abmahnung erfolgen wird.

Nörzig geht nach dem Gespräch sofort zum Betriebsratsbüro, reißt die Tür auf und sagt entsetzt zu seinem Betriebsrat Herrn Kuber: „Die wollen mir kündigen.“
Kuber schaut betroffen in Richtung Nörzig und sichert seine ganze Unterstützung zu: „So schnell geht das hier bei uns nicht, das wollen wir doch mal sehen!“

Kuber bittet den Vorgesetzten sofort um ein Gespräch zu dritt.

In der Dreier-Runde erklärt Brüggel nochmals den eindeutigen Sachverhalt. Das Dumme – Betriebsrat Kuber hat sich bereits aus dem Fenster gelehnt und Nörzig volle Unterstützung zugesagt. Selbst wenn der Betriebsrat die Vorgehensweise des Vorgesetzten nachvollziehen kann, wird er die Abmahnung, eventuell sogar mit seiner stärksten Waffe, dem Kuhhandel, bekämpfen.

Kuber: „Herr Brüggel, wenn Herr Nörzig eine Abmahnung bekommt, weiß ich nicht, ob ich die Mehrarbeit am kommenden Samstag so kurzfristig genehmigen kann.“

Wo ist der Fehler gemacht worden?

Stellen Sie sich vor, Ihr jüngerer Sohn kommt zu Ihnen gelaufen, zeigt weinend auf eine Beule an seiner Stirn und sagt der große Bruder hat ihn mit einem Holzbrett geschlagen. Glauben Sie dem Jungen?

Es ist wie beim ersten Eindruck: Die erste Information hat oft den stärksten Einfluss. Man spricht von einem Anker, der durch diese Information gesetzt wird.
In unserem Beispiel mit dem Betriebsrat Kuber hat Nörzig beim Betreten des Betriebsratsbüros den Anker gesetzt.

Variante 2: Der Vorgesetzte Brüggel informiert zuerst Kuber über den Sachverhalt, inklusive der früheren Gesprächsnotiz und dann Mitarbeiter Nörzig. Der Vorgesetzte setzt nun den Anker.

Nörzig geht nach dem Gespräch wie in Variante 1 sofort zum Betriebsratsbüro, reißt die Tür auf und sagt entsetzt zu seinem Betriebsrat Herrn Kuber: „Die wollen mir kündigen.“

Kuber schaut in Richtung Nörzig und fragt vorsichtig: „Was ist denn passiert?“

Nörzig will die Frage nicht direkt beantworten und sagt „die wollen mir kündigen, nur weil ich einmal zu spät meine Arbeitsunfähigkeit angezeigt habe.“

Kuber fragt vorsichtig weiter: „Nur einmal?“

Nörzig wird etwas kleinlauter: „Naja, da gab es wohl schon mal was.“

Nun legt sich Betriebsrat Kuber nicht mehr zu weit aus dem Fenster. Wie konnte er die Falle vermeiden? Indem der Vorgesetzte zuerst mit dem Betriebsrat spricht und dann mit dem Betroffenen.

Helfen Sie Ihren Betriebsrat, in dem Sie ihn als Ersten über alle wesentlichen personellen und organisatorischen Ereignisse informieren.

 

2. Beteiligen Sie den Betriebsrat von Anfang an

  • Sie wollen ein neues Lohnsystem einführen?
  • Sie wollen Vertrauensarbeitszeit einführen
  • Sie wollen eine Unternehmens-Vision erarbeiten?
  • Sie wollen Führungsleitlinien definieren?
  • Sie wollen den Krankenstand senken?

Und Sie haben einen Betriebsrat?
Dann fangen Sie Ihr Projekt immer gemeinsam an. Kommen Sie nicht mit fertigen Lösungen, sondern beteiligen Sie den Betriebsrat von der ersten Sekunde an. Wer Betroffene zu Beteiligten macht, erreicht sein Ziel fast immer.

Wenn wir in der Praxis ein Projekt zur Krankenstands-Reduktion starten, bitten wir die beauftragende Geschäftsleitung zum ersten Seminar auch den Betriebsrat einzuladen. Oft hören wir Ablehnung. „Unser Betriebsrat will das nicht“, oder „Wir wollen uns erst einmal selber schlaumachen.“

Aber warum mit unterschiedlichem Informationen ein Projekt starten? Besser: Betriebsrat und Geschäftsleitun starten das Projekt gemeinsam. Unterschiedliche Informationen erzeugen Misstrauen. Wenn Sie sich beraten lassen, dann nehmen Sie den Betriebsrat direkt zum Gespräch mit. Wenn verschiedene externe Berater gewünscht sind, sollten auch diese stets gemeinsam angehört werden.

 

3. In unserem Betriebsrat sitzen nur schlechte Mitarbeiter!

Wie ist das möglich? Der Betriebsrat wird gewählt – und zwar aus der ganzen Belegschaft. Wählen Mitarbeiter bewusst ihre schlechten Kollegen in den Betriebsrat?
Nein.

Die Mitarbeiter wählen den Betriebsrat aus den möglichen Kandidaten. Welche Personen und Listen zur Wahl stehen, hängt auch von der Geschäftsleitung ab. Wird der Betriebsrat regelmäßig als Feind des Unternehmens dargestellt, haben gute und ambitionierte Mitarbeiter kein Interesse für den Betriebsrat zu arbeiten.

Wird der Betriebsrat hingegen als Partner verstanden, der Einfluss auf die Gestaltung des Unternehmens hat, dann stellen sich auch gute und ambitionierte Mitarbeiter für den Betriebsrat zur Verfügung.

Vorsicht: Häufig werden interessierte Mitarbeiter aus operativ stark belasteten Bereichen vom eigenen Team an der Betriebsratsmitarbeit gehindert, da das Team die Mehrarbeit für das regelmäßig fehlende Betriebsratsmitglied nicht tragen wollen. Unterstützen Sie diese Teams, die Betriebsratsmitglieder stellen mit entsprechenden Ressourcen, damit im Betriebsrat tatsächlich alle Interessengruppen vertreten werden.

4. Machen Sie den Betriebsrat nicht zum Mitschuldigen

Bei unangenehmen Entscheidungen, wie Abmahnung oder Kündigung, hören wir oft: Das verhindert bei uns der Betriebsrat.

Dies ist jedoch nur ein Vorwand, denn personelle Einzelmaßnahmen sind nicht mitbestimmungspflichtig. Sie mögen denken: „Aber es ist doch gut, wenn der Betriebsrat im Boot ist und zustimmt.“

Das ist falsch. Bei unangenehmen Entscheidungen sollte die Geschäftsleitung hierfür die Verantwortung übernehmen. Sie sollte deutlich machen, dass der Betriebsrat kein Mitsprache-Recht hatte und die Entscheidung durch die Geschäftsleitung beschlossen wurde. Denn wie steht der Betriebsrat vor der Belegschaft, wenn er einer Kündigung zustimmt, oder einem Outsourcing der Pforte oder Kantine.

Geben Sie beim Betriebsrat nur Entscheidungen in die Mitbestimmung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch tatsächlich mitbestimmungspflichtig sind.

5. Schaffen Sie keine Zwickmühle für den Betriebsrat

Einer der häufigsten Fehler in der Praxis ist eine Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen des Lohnsystems.

Bei Uneinigkeit über eine bestimmte Bewertung einer Person wird häufig eine paritätische Kommission aus Betriebsrat und Geschäftsleitung gebildet, die bei Streitigkeiten eine Lösung finden soll. So wird der Betriebsrat indirekt an der Lohnfindung des Mitarbeiters beteiligt. Dort kann er jedoch aufgrund seiner Funktion immer nur eine Position für den Mitarbeiter einnehmen und steckt so in einer nicht lösbaren Zwickmühle.

Der Gesetzgeber hat die Mitbestimmung für den Betriebsrat bewusst auf die Systematik zum Beispiel bei Lohnsystemen beschränkt. Der Gesetzgeber hat den Betriebsrat bei der operativen Umsetzung außen vor gelassen.

Vermeiden Sie, dass Ihr Betriebsrat in die Zwickmühle gerät! Schaffen Sie keine Gremien, bei denen der Betriebsrat direkt über das Entgelt der Mitarbeiter mitbestimmen muss.

6. „Jedes Unternehmen hat den Betriebsrat, den es verdient.“

Wer offen und ehrlich mit dem Betriebsrat umgeht, wird den Vorteil eines Betriebsrates nutzen können. Wer Schützengräben aushebt, wird Grabenkämpfe ernten. Nutzen Sie die genannten fünf Umsetzungshilfen, um den Betriebsrat zu bekommen, den Sie verdienen!

Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:

Briegert, E. & Hochgeschurtz,Th. (2010): UH7: Entscheidungsfallen vermeiden www.umsetzungshilfe.de/7
Briegert, E. & Hochgeschurtz,Th. (2012): UH40: Die Commitment – Analyse (Widerstände erkennen, Unterstützung sichern, Veränderungen er-folgreich gestalten. www.umsetzungshilfe.de/40
Briegert, E. & Hochgeschurtz,Th. (2014): UH54: Konsequenz in der Führung von Mitarbeitern www.umsetzungshilfe.de/54

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