UH32: Fragetechnik: Wer richtig fragt, führt

UMSETZUNGSHILFE Nr. 32
Fragetechnik: Wer richtig fragt, führt

 

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1. Wer richtig fragt, führt

Nörzig ist bei seinem Kollegen Brüggel zum Geburtstag eingeladen. Mit einer kleinen Aufmerksamkeit steht er vor der Haustür und wartet darauf, dass er eingelassen wird.

Ein kleiner Knirps öffnet die Tür und starrt Nörzig an. „Oh, wer bist Du denn?“, fragt Nörzig freundlich.
„Paul.“
„Aha, ja, Paul. Ein schöner Name.“ Keine Reaktion.
„Wie alt bist Du denn, Paul?“ „Sechs.“
Paul starrt Nörzig immer noch an. Der fühlt sich unwohl.
„Gehst Du schon zur Schule?“ „Ja.“
Allmählich wird Nörzig dieser Junge unsympathisch.
„In welche Klasse gehst Du denn, Paul?“ „Erste.“
Genauso stoffelig wie Brüggel, denkt sich Nörzig.
„Hast Du ein Lieblingsfach?“ „Ja.“
Nörzig spürt Ärger in sich aufsteigen. Kann dieses Kind nicht normal sprechen?
„Und was ist dein Lieblingsfach?“, fragt er verzweifelt.
„Sport.“
Nörzig bekommt Kopfschmerzen. Garantiert von diesem Kind. Er schiebt Paul auf Seite und sucht den Gastgeber. Der sieht Nörzig sein Unwohlsein an. „Alles in Ordnung mit Dir?“ „Mit mir schon, aber dein Sohn kann ja nicht einmal richtig sprechen.“

Woran lag es? Warum ist der Dialog zwischen Nörzig und Paul so merkwürdig verlaufen? Waren es die Antworten, oder die Fragen, die Nörzig Schwierigkeiten bereitet haben?

Nörzig hat sich das Leben selber schwer gemacht. Denn wer geschlossene Fragen stellt, bekommt kurze Antworten, aber keine Zeit zum Nachdenken. Verzweifelt wird dann weiter geschlossen gefragt. Diese geschlossenen Fragen werden ebenfalls nur knapp beantwortet. Aus dem Gespräch wird eine Art Verhör.

„Wer fragt führt“, heißt es, doch die Wahrheit ist, „wer richtig fragt, führt.“ Lernen Sie richtig zu fragen. Diese UMSETZUNGSHILFE hilft Ihnen bessere Fragen zu stellen. Indem Sie besser fragen, regen Sie zum Nachdenken an und erzeugen Einsicht. Und wenn Ihr Gesprächspartner durch die Einsicht sein Verhalten ändert, führen Sie.

2. Gute Fragen

Gibt es Fragen, die in jeder Situation gut und geeignet sind? Gibt es ein Werkzeug, das immer funktioniert? So wie Sie nicht jedes Problem mit einem Hammer erschlagen sollten, gibt es auch nicht den Frage-Typ für jede Situation. Wählen Sie für gute Gespräche aus den folgenden drei Frage-Typen:

2.1 Warum Frage
2.2 Beispielhafte Frage
2.3 Wortlose Frage

2.1 Warum Frage

Wie jemand gehandelt hat, ist häufig erkennbar. Viel spannender ist die Frage nach dem Warum  – warum hat er dies oder das getan. Mit der Warum-Frage erfahren Sie die Gründe und Motive für eine Handlung. Nur wenn Sie diese verstanden haben, können Sie Verhalten beeinflussen.

Fragen Sie ruhig mehrfach nach. Oft kommen die wahren Motive und Gründe erst nach mehreren Schleifen zum Vorschein. Aus diesen Gründen hat sich die 5-Why-Methode (5 mal Warum) in der Analyse von Ursachen durchgesetzt.

Aber wie fühlen Sie sich, wenn Sie nach dem Warum Ihrer Handlung befragt werden? Häufig erzeugt die Warum-Frage einen Rechtfertigungsdruck. Wir müssen uns erklären und rechtfertigen. Sie verbessern die Atmosphäre, indem Sie die Warum-Frage durch die Frage nach den Gründen ersetzen. Aus der Frage: „Warum haben Sie in Berlin studiert?“ wird die Frage: „Aus welchen Gründen haben Sie in Berlin studiert?“

Und wenn Ihnen die erste Antwort nicht reicht? Dann fragen Sie geschickt weiter: „Aus welchen weiteren Gründen haben Sie in Berlin studiert?“.

2.2 Beispielhafte Frage

„Was sind ihre Schwächen?“
„Ich bin zu ehrgeizig!“
„Nennen Sie mir ein Beispiel, wo sich ihr Ehrgeiz als Schwäche gezeigt hat.“

Behauptungen, die Sie nicht einfach glauben wollen, lassen Sie sich an einem Beispiel erläutern. Gefällt Ihnen das Beispiel nicht, fragen Sie nach einem weiteren Beispiel.

2.3 Wortlose Frage

Wie groß schätzen Sie meinen Redeanteil, wenn ich meinen Sohn (13 Jahre) überzeugen will, Lateinvokabeln zu lernen?

Und wie groß sollte unser Redeanteil sein, wenn wir jemanden überzeugen wollen? Kleiner als die Hälfte, besser noch weniger. Aber wie bekommen wir den anderen zum Reden?

  • Indem ich offene Fragen stelle
  • Indem ich Pausen zulasse

Stille auszuhalten fällt uns schwer. Doch gerade nach einer guten Frage benötigt Ihr Gesprächspartner Zeit zum Nachdenken. Kommen Sie gleich mit der nächsten Frage, oder beantworten Sie sich die Frage selbst, erfahren Sie die Motive des anderen nicht. Lernen Sie, mit Pausen von drei bis fünf Sekunden zu leben. Halten Sie Blickkontakt und fordern Sie den anderen so auf, weiterzusprechen. Nach Denkpausen kommen meistens die wertvollsten Antworten.

3. Schlechte Fragen

Alle Fragen, die Sie den wahren Motiven und Gründen des Gegenübers nicht näher bringen, sind für die Führungsaufgabe schlechte Fragen. Die in der Praxis am häufigsten auftretenden schlechten Fragen sind:

  • Mehrfachfrage/lange Frage
  • Suggestivfrage
  • Alternativfrage

Mehrfachfragen sind Fragebündel, die dem Befragten auf einmal gestellt werden. Nur auf welche Frage soll er jetzt antworten? Häufig beantwortet der Gefragte nur eine Frage. Viele beantworten die letzte Frage, da sie diese noch im Kopf haben, gewitzte Gesprächspartner suchen sich die für sie einfachste Frage aus. Da wir oft Skrupel haben, die nicht beantwortete Frage erneut zu stellen, haben wir eine Frage verschenkt. Legen Sie den Skrupel ab, und wiederholen Sie die unbeantwortete Frage. Noch besser jedoch: Stellen Sie keine Mehrfach-Fragen.

Bei der Suggestivfrage legt der Fragende seine Gesprächspartner die Antwort schon in den Mund. Er versucht damit den Antwortenden in seinem Sinne zu manipulieren, um eine Bestätigung für seine eigene Meinung zu erhalten. Typisch für diese Frage-Art sind Wörter, wie: doch, wohl, auch, bestimmt, sicherlich. „Dir ist doch das Wohl deiner Familie sicherlich auch wichtig, oder?“

Bei der Alternativfrage werden dem Befragten bereits Antwortmöglichkeiten (Alternativen) vorgegeben. Viele Befragte antworten oft mit einer der angebotenen Alternativen, ohne zu bedenken, dass es noch Möglichkeiten über die angebotenen Antworten hinaus gibt.

„Werden in Ihrer jetzigen Firma Beförderungen aufgrund der fachlichen Kompetenz oder des persönlichen Einsatzes vorgenommen?“

Die Alternativfrage gehört übrigens zum Standard-Repertoire des Vertriebsmitarbeiters, da dieser die Antwort „nein“ stets ausschließen will.

4. Aktives zuhören

Das wahre Geheimnis guter Fragesteller liegt jedoch nicht in der Fähigkeit, besonders gut Fragen zu stellen, sondern besonders gut zuzuhören. Denn den Stoff für die nächste gute Frage liefert immer die Antwort auf die letzte Frage.
Lernen Sie sich zurückzunehmen und den zu Überzeugenden in den Mittelpunkt des Gesprächs zu rücken. Grundregeln für aktives Zuhören:

  1. Ausreden lassen
  2. Pause zulassen
  3. Nachdenken

Das echte Gespräch bedeutet: aus dem Ich heraustreten und an die Tür des Du klopfen. (Albert Camus)

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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