UH9: Ausrichtung der Produktionsstrategie
UMSETZUNGSHILFE Nr. 9
Ausrichtung der Produktionsstrategie
April 2010, UH als PDF downloaden
Ihr Unternehmen hat nur dann eine langfristige Existenzberechtigung, wenn die erzielte Kapitalrendite die eingesetzten Kosten übersteigt. Um eine ausreichende Rendite zu erzielen, müssen am Anfang zwei grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden.
- In welchen Industriezweigen, Geschäftsbereichen oder auf welchen Märkten will sich das Unternehmen engagieren? In welchen Branchen und auf welchen Märkten kann das Unternehmen besonders hohe Renditen erzielen? Wo sind die Wettbewerbsbedingungen besonders freundlich? Diese Frage beantwortet die Unternehmensstrategie.
- Wie möchte das Unternehmen in den definierten Branchen und auf den festgelegten Märkten den Wettbewerb gewinnen? Diese Frage beantwortet die Wettbewerbsstrategie.
Die Rolle der Produktion und damit die Produktionsstrategie sind – wie übrigens auch andere funktionale Strategien wie beispielsweise Marketing-, Einkaufs- und Entwicklungsstrategie – der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie unterzuordnen. Die Bedeutung der Produktion für ein Unternehmen wird anhand der Unterstützung der gewählten Wettbewerbsstrategie gemessen. Je geringer die Wettbewerbsstrategie durch die Produktion unterstützt wird, desto größer ist der Handlungsdruck die Produktion an externe Dienstleister zu vergeben. Die Existenzberechtigung der Eigen-Produktion liegt einzig in der Fähigkeit der Produktion zur Wettbewerbsdifferenzierung beizutragen.
Die Produktionsstrategie muss die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie unterstützen! Nutzen Sie die folgenden 3 UMSETZUNGSHILFEN, um die Produktionsstrategie besser an die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie anzupassen:
1. Verstehen der Unternehmens- und Geschäftsstrategie
Um eine angemessene und geeignete Produktionsstrategie zu entwickeln, müssen die Unternehmens- und die Wettbewerbsstrategie bekannt sein. Dabei gibt es nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten sich vom Wettbewerb abzusetzen.
i. Auf der Basis von Kostenvorteilen. Sie bieten dann – ein zum Wettbewerb vergleichbares Produkt – zu einem niedrigeren Preis an. Niedrigere Kosten in Einkauf, Produktion aber auch niedrigere Marketing- und Entwicklungsbudgets sind Voraussetzung für niedrigere Verkaufspreise.
ii. Auf der Basis von Differenzierung. Ihr Angebot unterscheidet sich dann vom Wettbewerb derart, dass der Kunde bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen. Differenzierung ist z. B. möglich durch die Verwendung einer besonders geschätzten Marke, Produktinnovation, aber auch durch Dienstleistung wie kundenspezifische Logistik oder weltweiter Kundenservice.
Thornhill und White (2007) haben anhand einer Untersuchung der Profitabilität von 2.351 Unternehmen nachgewiesen, dass die klare Entscheidung für eine dieser beiden Strategien den Misch-Strategien aus Kostenfokus und Differenzierung (sogen. hybride Strategien) überlegen ist. Aber Achtung: Die Mehrkosten durch Differenzierung müssen vom Kunden durch höhere Preise überkompensiert werden. Ansonsten ist die gewählte Form der Differenzierung unwirtschaftlich. Im Übrigen lässt sich nicht jeder beliebige Preis durchsetzen, da der Kunde dann irgendwann anfängt Ihr Produkt durch andere Lösungen zu substituieren.
2. Ableitung der Produktionsstrategie
i. Wenn die Wettbewerbsstrategie auf Kostenvorteile basiert, steht die Produktion vor folgenden Herausforderungen:
- Einkauf der Rohmaterialien aus Niedrig-Lohn-Länder.
- Outsourcing der Fertigung in Niedrig-Lohn-Länder.
- Skalenvorteile in der Fertigung durch Vollauslastung und hohe Losgrößen.
- Produktentwicklung mit dem Ziel niedriger Produktionskosten. Vermeidung von Fertigungskomplexität steht stets im Mittelpunkt.
- Niedrige Fixkosten, auch für in Marketing- und Entwicklung.
- Regelmäßige Sortimentsüberprüfung und dabei konsequente Produktelimination.
ii. Wenn die Wettbewerbsstrategie hingegen auf Differenzierung beruht, muss sich die Produktion folgenden Herausforderungen stellen:
- Schnelle und häufige Einführung neuer Produkte. Projektmanagement- und Problemlösefähigkeiten werden zum Erfolgsschlüssel.
- Hoher Qualitätsstandard.
- Hohe Flexibilität bezüglich Menge und Produktvielfalt (hohe Produktkomplexität).
- Hohe Zuverlässigkeit und Service-Rate (Lieferfähigkeit und Reaktionszeit).
- Große Arbeitszeit- und Arbeitsplatzflexibilität der Mitarbeiter.
3. Anpassung der Produktion an die Produktionsstrategie
Produktionsstandorte sollten konsequent einer Produktionsstrategie folgen. Es ist nicht empfehlenswert aus einem Produktionsstandort heraus, Märkte oder Sortimente mit verschiedenen Wettbewerbsstrategien zu beliefern. Der Fokus auf Kosten erfordert eine andere mentale Einstellung Ihrer Mitarbeiter als der Fokus auf exzellenten Kundenservice. Auch die Infrastruktur und das Organigramm müssen sich in beiden Fällen signifikant unterscheiden. So sind Überschusskapazitäten – sowohl bei Personal als auch im Maschinenequipment – bei Kostenfokus absolut zu vermeiden. Bei Differenzierung durch exzellenten Kundenservice, damit verbunden der Anspruch zusätzliche Kundenbedarfe kurzfristig zu fertigen, sind freie Maschinenkapazitäten und mehrfach qualifizierte Mitarbeiter die Basis der Wettbewerbsstrategie. Erfolgreichere Organisationen haben deshalb verschiedene Produktionsstätten für verschiedenen Wettbewerbsstrategien und die Verantwortlichen der Standorte unterwerfen ihr Handeln konsequent der einen oder anderen Strategie. Vermeiden Sie die Todeszone Mittelmaß zwischen Kostenstrategie und Differenzierungsstrategie.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)
Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz
Ressourcen:
Grant, Robert M. (2005): Contemporary Strategy Analysis, Fifth Edition, Blackwell Publishing.
Hayes, R.H., Pisano, G., Upton, D. and Wheelwright, S. (2005): Operations, Strategy, and Technology, Pursuing the Competitive Edge, John Wiley & Sons, Inc.
Porter, M. (1980): Competitive Strategy, Free Press New York.
Thornhill, St. and White, R.E. (2007): Strategic Purity: A Multi-Industry Evaluation of Pure vs. Hybrid Business Strategies, Strategic Management Journal, pp. 553-561.