UH70: Alkohol
UMSETZUNGSHILFE Nr. 70
Alkohol
Oktober 2015, Diese UH als PDF downloaden
Fünf von 100 Beschäftigten gelten in Deutschland als alkoholabhängig. Weitere 10 Beschäftigte konsumieren Alkohol in missbräuchlicher Weise. 15 bis 30% der Arbeitsunfälle gelten als alkoholbedingt.
Nur wie gehen Sie damit um, wenn Sie jemand alkoholisiert antreffen? Stellen Sie sich folgende Situation vor:
„Mit zusammengekniffenem Mund und rot geränderten Augen schaute Raimund aus dem Fenster. Bei der Luft in seinem Büro konnte man nur rote Augen bekommen. Während in meinem Büro immer ein leichter Plastikgeruch in der Luft lag, roch es in diesem Büro irgendwie säuerlich. Es war nicht das Büro. Es kam irgendwie von vorne.
„Sag mal, hast du was getrunken?“, entfuhr es mir unwillkürlich, als ich Raimunds zittrige Hände bemerkte. „Ich bin erkältet und habe Hustensaft nehmen müssen, damit ich überhaupt zur Arbeit kommen konnte.“
„Beim Meeting am Vormittag warst du aber noch fit“, stellte ich fest. „Auch nur mit Tabletten.“ Mein Blick traf seinen und ich spürte, dass er ein größeres Problem hatte, als er zugeben wollte. Mein eigener Kollege hatte ein Alkoholproblem. Ratlos schaute ich auf Raimund, der kläglich in seinem Schreibtischstuhl saß und nach Alkohol roch. Das war zu viel für mich und ich verließ grußlos das Büro.
Der Erzähler traute sich nicht. Wenige haben den Mut Alkohol beim Kollegen oder Mitarbeiter anzusprechen. Und die Antwort des Ertappten ist oft: „Ich habe nichts getrunken.“ Diese Umsetzungshilfe erklärt, was im entscheidenden Moment zu tun ist.
1. Wegschauen heißt zustimmen
Sie laufen nach Feierabend in Richtung Ausgang, als Ihnen ein Mitarbeiter entgegenkommt, der Ihnen auffällt. Irgendwie läuft der Kollege nicht gut geradeaus. Wenn Sie nun wegschauen, haben Sie zugestimmt.
Auch wenn es unangenehm ist, Sie tun etwas Gutes und Wichtiges. Wenn Sie mit trockenen Alkoholikern sprechen und sie fragen, was das Unternehmen, die Vorgesetzten oder die Kollegen hätten besser machen können, antworten diese Menschen: „Warum habt ihr das so lange zugelassen?“
2. Sprechen Sie den Mitarbeiter sofort an
„Haben Sie etwas getrunken?“
„NEIN.“
Alternativantwort 1: „Dann ist ja gut.“
Gar nichts ist gut! Alkoholiker wissen nicht, dass sie krank sind. Alkoholiker gehen davon aus, „ihr“ kleines Problem zu beherrschen. Der Alkoholiker denkt, er kann jederzeit aufhören. Kann er ja auch. Aber nur für Stunden, Tage oder manchmal Wochen.
Alternativantwort 2: „Du bist ja zu betrunken zum Arbeiten, fahr bitte nach Hause.“
Die Antwort taugt auch nicht. Wenn Sie den Mitarbeiter nach Hause schicken, haben Sie auf seine Arbeitsleistung verzichtet. Das Unternehmen kommt in Annahmeverzug und ist zur Zahlung des Entgelts verpflichtet. Aber vor allem Ihre Fürsorgepflicht endet erst an der Schwelle der Haustüre des Mitarbeiters. Lassen Sie den Mitarbeiter auf keinen Fall alleine nach Hause gehen oder fahren.
3. Die Ablehnung eines Alkoholtest kommt einem Schuldeingeständnis gleich
„Du machst auf mich den Eindruck, dass Du alkoholisiert bist. Lass uns bitte kurz ins Büro gehen, um das zu klären.“
Idealerweise holen Sie einen Zeugen dazu, der den Alkoholverdacht bestätigt. Dies darf gerne ein Betriebsrat sein. Wenn Sie sich einig sind, dass der Mitarbeiter alkoholisiert ist, fordern Sie ihn auf, einen Alkoholtest zu machen: „Ich fordere dich auf, einen Alkoholtest zu machen.“
Betroffener: „Ich muss das nicht machen.“
Da hat der Betroffene Recht, aber es hilft ihm nichts, denn:
Die Ablehnung eines Alkoholtest bewerten Sie wie das Eingeständnis der Schuld. Bei geäußertem Alkoholverdacht dreht sich die Beweislast. Es liegt am Betroffenen seine Unschuld nachzuweisen. Machen Sie Ihm diesen Umstand klar.
Sie haben keinen Alkoholtest zur Verfügung?
Machen Sie die Situation nicht komplizierter, als sie ist. Suchen Sie einen Begleiter, der mit dem Betroffenen und mit Hilfe eines Taxis zum nächsten Krankenhaus fährt. Dort wird der Test durchgeführt und von dort der Mitarbeiter nach Hause gebracht.
Eventuell anfallende Kosten sollten zunächst vom Arbeitgeber getragen werden. Bei positivem Alkoholbefund kann der Arbeitgeber sich das Geld vom Mitarbeiter erstatten lassen.
Sobald das Ergebnis des Tests vorliegt, oder sofern der Betroffene den Test verweigert hat, sollte ein Treffen zur Sachverhaltsklärung angesetzt werden. Neben dem Betroffenen sollten der Betriebsrat, die Personalabteilung und der Vorgesetzte des Betroffenen teilnehmen.
4. Behandeln Sie den Mitarbeiter nicht wie einen Alkoholiker
Sollte es bei der Sachverhaltsklärung keine neuen Erkenntnisse zu Tage kommen und ein abgelehnter oder positiver Alkoholtest Tatbestand sein, sollten Sie als Arbeitgeber eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung aussprechen.
Behandeln Sie den Mitarbeiter zunächst nicht wie einen Alkoholiker. Gehen Sie von einem steuerbaren Verhalten aus. Der Mitarbeiter hat durch seinen Alkoholkonsum seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitskraft nicht zur Verfügung gestellt.
Im Wiederholungsfall sprechen Sie die Kündigung aus. Sie helfen dem Mitarbeiter. Ist er alkoholkrank, so wird er auf Grund seines Arbeitsplatzverlusts seine Krankheit in seinem persönlichen Umfeld offenbaren.
5. Ich bin Alkoholiker
Wenn der Mitarbeiter sich gegenüber dem Arbeitsgeber offenbart, dass er Alkoholiker ist, werden die Abmahnungen bzw. die Kündigung „ungültig“, da es sich nun nicht um ein steuerbares Verhalten handelt.
Aber glauben Sie dem Betroffenen nicht einfach. Lassen Sie sich ein ärztliches Attest vorlegen oder ein Schreiben der lokale Suchtberatungsstelle. Und akzeptieren Sie nur Bescheinigungen im Original. Alkoholiker verfallen selbst nach der ersten Offenbarung ihrer Krankheit wieder in ihr altes Verhaltensmuster. Der Alkoholiker unterstellt alle seine Handlungsweisen der Erlangung seines Suchtmittels.
Der Betroffene muss eine Therapie antreten. Sobald er trocken und wieder arbeitsfähig ist, kann er die Arbeit bei ihnen wieder aufnehmen. Sollte der Betroffene eine Entziehungskur verweigern, dann riskiert er eine krankheitsbedingte Kündigung, da mit der Wiederherstellung der Arbeitskraft in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (BAG, 9.4.1987 – 2AZR 210/86).
6. Was sie im Wiederholungsfall tun müssen
Hat der Mitarbeiter eine erste Alkoholtherapie erfolgreich absolviert, haben Sie häufig einen guten Mitarbeiter zurück gewonnen. Leider ist die Rückfallquote bei Alkohol hoch. Daher hält das Bundesarbeitsgericht im Wiederholungsfall die direkte verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung für angemessen (BAG, 07.12.1989 – 2AZR 134/89).
Ob Sie davon Gebrauch machen, ist eine Frage der Unternehmenskultur. Einige Unternehmen kündigen nach zwei oder drei Therapien. Im ganzen Prozess im Umgang mit Suchtkranken empfiehlt es sich jedoch immer wieder eins: Seien Sie konsequent!“
Nachtrag: Ist Alkohol am Arbeitsplatz erlaubt?
Falls Ihre Arbeitsordnung Alkohol am Arbeitsplatz verbietet, nein. Ansonsten gibt es kein generelles Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Allerdings verbieten Unfallverhütungsvorschriften den Genuss von Alkohol, wenn dadurch Gefahren ausgehen.
Gemäß §15 Abs. 2 UVV BGV A1 (in Verbindung mit §15 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) dürfen sich Beschäftigte nicht durch Alkohol in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Wenn Mitarbeiter bestimmte Arbeiten – wie Arbeiten mit Absturzgefahr, an laufenden Maschinen, mit Gefahrstoffen oder Fahr- und Steuerungstätigkeiten – nicht ohne Gefahr für sich oder andere ausführen kann, dürfen diese hierfür nicht beschäftigt werden (§7 Abs.2 UVV A1).
Viel Mut beim Ansprechen von alkoholisierten Mitarbeitern wünschen
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz
Ressourcen:
Drogen- und Suchbericht der Bundesregierung von 2011, S.11-12
Hochgeschurtz, T. (2015): Konsequent. 3. Auflage, Ikotes-Verlag. Bühl
Briegert, E. & Hochgeschurtz,Th. (2014): UH54: Konsequenz in der Führung von Mitarbeitern www.umsetzungshilfe.de/54
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