UH7: Entscheidungsfallen vermeiden.

UMSETZUNGSHILFE Nr. 7

Entscheidungsfallen vermeiden

 

Februar 2010, UH als PDF downloaden

Wie viele Entscheidungen treffen Sie jeden Tag? Sie werden mit dem Zählen nicht nachkommen. Die meisten Entscheidungen treffen Sie im Unterbewusstsein. Wenn Ihr Wecker an einem Wochentag klingelt, benötigen Sie keine Nutzen-Aufwand-Analyse, um eine Entscheidung zu treffen. Das Gehirn hat durch Erfahrung gelernt, uns das Aufstehen zu empfehlen. Nur dank dieser Entscheidungsautomatismen sind wir überhaupt in der Lage, die tägliche Fülle an Entscheidungen zu bewältigen. Allerdings zahlen wir dafür einen hohen Preis. In bestimmten Situationen verführen uns diese Routinen zu falschen Entscheidungen.

Um zum Beispiel die Entfernung eines Gegenstandes zu beurteilen, verwenden wir unbewusst die Entfernungsregel: „Je klarer wir einen Gegenstand sehen, desto dichter befindet er sich vor uns“. Piloten tauschen diese Regel gegen Fakten aus, indem sie sich beim Landeanflug – nicht nur bei Nebel – auf Instrumente anstatt auf ihr Bauchgefühl verlassen.

Was für den Piloten der Nebel, ist für Sie Ihre Informationslage. Nicht nur die Anzahl an Informa-tionen ist erdrückend, auch die Qualität und Relevanz lassen sich häufig nur mit großem Auf-wand überprüfen. Hierfür benötigen Sie Zeit, die Sie häufig nicht haben.

Mit den folgenden sechs Umsetzungshilfen vermeiden Sie Fehlentscheidungen bei „Datennebel“:

1. Beachten Sie die Tragweite der Entscheidung

Je folgenreicher eine Entscheidung ist, desto mehr Maßnahmen sollten Sie zur Absicherung tref-fen. Aber Achtung: Bei unbequemen Entscheidungen besteht die Gefahr, dass die Analyse unnö-tig in die Länge gezogen wird, um das Treffen der Entscheidung zu vermeiden. Setzen Sie einen Termin für die Entscheidung und halten Sie diesen konsequent ein.

2. Vermeiden Sie die Anker-Falle

Beim Entscheiden hat die erste verfügbare Information einen ungeahnten überproportionalen Einfluss. Man spricht von einem Anker, der durch diese Information gesetzt wird. Die Anker-Technik wird häufig bei Verhandlungen genutzt.
Beispiel:
Sie bekommen einen gebrauchten Laserdrucker für 400 € angeboten, mit dem Hinweis, dass der Neupreis vor einem halben Jahr 499 € war. Der Verkäufer schlägt den Anker bei 499 € ein und suggeriert Ihnen, dass 400 € bereits sehr preiswert ist. Sie trauen sich noch, den Verkäufer um 50 € herunter zu handeln und glauben ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Abends schaut Ihre Frau im Internet nach und findet den gleichen Drucker mit vollen Tonerkartuschen für 299 €.
Supermärkte arbeiten zusammen mit den Herstellern ständig mit der Ankermethode, indem diese eine unverbindliche Preisempfehlung auf das Produkt aufdrucken. Jeder Preis darunter scheint für Sie ein gutes Geschäft zu sein, da Ihnen vor Ort weitere Informationen fehlen.
Wenn Sie sich vor Verhandlungen alternative Informationen besorgen, beugen Sie der Ankerfalle vor. Lernen Sie, die Anker-Falle in den nächsten Verhandlungen für sich zu nutzen und schlagen Sie den ersten Anker ein, der Ihren Verhandlungspartner fixiert.

3. Umgehen Sie die Falle der versenkten Kosten

Projekte werden in der Umsetzungsphase anhand vorher definierter Zwischenziele überprüft. Was passiert aber bei deutlichen Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Plan? Vielen Entscheidern fällt es dann schwer, sich von einmal lieb gewonnenen Projekten zu verabschieden.
Dabei wird übersehen, dass getätigte Investitionen in Form von Zeit und Geld bereits versenkt wurden. Trotzdem funktionieren sie wie eine psychologische Schranke. Sie verhindern, Defizite abzuschreiben und ein verlustreiches Projekt zu beenden. Wenn wir in eine Sache schon viel Zeit, Geld und Leidenschaft investiert haben, ist es „unser Baby“, dann geben wir es nicht auf.
Seien Sie sich bei wichtigen Entscheidungen dieser Falle der versenkten Kosten bewusst. Ent-scheiden Sie auf Basis der noch zu investierenden Ressourcen und des noch möglichen Nut-zens. Diskutieren Sie das Projekt bei Bedarf mit bisher unbeteiligten Personen, die einen psycho-logisch unbelasteten Blick haben.

4. Umschiffen Sie die Paradigma-Falle

Häufig werden Informationen so bewertet, dass sie das eigene Weltbild bestätigen. Man hört das, was man hören will. Wenn jemand der Meinung ist, dass die Wirtschaftskrise überstanden ist, findet diese Person in der Zeitung zahlreiche bestätigende Beispiele. Hingegen werden Gegen-beispiele geringer gewichtet oder überhaupt nicht wahrgenommen. Skeptiker finden in derselben Tageszeitung den Gegenbeweis. Sie lesen, dass die Krise nicht überstanden ist und weitere Rückschläge drohen. Das Lesen der Zeitung bringt in diesem Fall keine neue Erkenntnis. Die Zeitung dient nur der Bestätigung des eigenen Paradigmas.
Überprüfen Sie regelmäßig Ihre eigenen Paradigmen und Gesetzmäßigkeiten. Sie umgehen die Paradigma-Falle, indem Sie bewusst und gezielt nach Gegenbeispielen zu Ihrem Standpunkt suchen und von Ihren Kollegen und Mitarbeitern einfordern.

5. Beugen Sie der Konsens-Falle vor

Gruppenteilnehmer neigen dazu, nur Informationen auszutauschen, die bereits innerhalb der Gruppe bekannt und sozial akzeptiert sind. Infolge gruppendynamischer Prozesse halten sich Teammitglieder mit neuen, einzigartigen oder unbeliebten Informationen zurück.
Hierarchie oder eine hohe Konsens-Kultur vergrößeren die Gefahr bis zur Betriebsblindheit. Sie vermeiden die Konsensfalle, indem Sie eine zu homogene Zusammenstellung von Gruppen vermeiden und kritische Meinungen wertschätzen.

6. Seien Sie vorsichtig bei Gruppenentscheidungen. Risikodiffusion vermeiden.

Wer trägt die Verantwortung für die in der Gruppe getroffene Entscheidung? Bei unklarer Ver-antwortlichkeit treffen Gruppen häufig riskantere Entscheidungen, als es jedes einzelne Grup-penmitglied für sich getan hätte. Jeder hofft, die Auswirkungen der Entscheidung nicht verant-worten zu müssen. Während der Diskussion aber möchte niemand der Spielverderber sein, in-dem er auf Risiken hinweist. Unter Umständen schaukelt sich die Gruppe zu einer immer riskan-teren Entscheidung auf.
Sie vermeiden Risikodiffusion, indem Sie jeden Teilnehmer am Anfang der Diskussion bitten, seinen Standpunkt auf einer Karte zu notieren. Anschließend stellt jeder Teilnehmer seinen Standpunkt vor.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz!

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Ressourcen:
Bazermann, Max. H., and Chugh, Dolly (2006): Decisions without blinders, Harvard Business Review, January.
Hammond, John S., Keeney, Ralph L., and Raiffa Howard (1998): The Hidden Traps in Decision Making, Harvard Business Review, September-October.
Nöllke, Matthias (2008): Entscheidungen treffen. Schnell, sicher, richtig, 4. Auflage, Rudolf Haufe Verlag, Pla-negg/München.
Watkins, Michael (2009): Obama and Afghanistan: Deciding vs. Deliberating, http://blogs.hbr.org/watkins/2009/11/deciding_vs_deliberating_presi.html?cm_mmc=npv-_-MANAGEMENT_TIP-_-FEB_2010-_-MTOD0202&referral=00203, Status: 03.02.2010.