UH37: Den Chef managen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 37
Wie manage ich meinen Chef?

August 2012, Diese UH als PDF downloaden
„Du hast recht und ich hab meine Ruhe“, schießt es Nörzig durch den Kopf, als sein Chef mal wieder Bestätigung suchte. Überhaupt ist Nörzig von seinem Chef genervt. Er tritt auf der Stelle, aber vor allem scheint sein Chef nicht mit ihm zufrieden zu sein.

Dabei sollte alles besser werden: vor einem Jahr hatte er seinen alten Chef abgewählt und die viel versprechende Stelle im Nachbarort angenommen. Er kann jetzt nicht schon wieder das Schiff wechseln. Nur wie kann er sein aktuelles Arbeitsverhältnis erfolgreicher gestalten?

Viele Angestellte wechseln das Unternehmen und scheitern an den gleichen Problemen, wie beim alten Arbeitgeber, trotz neuem Chef! Nehmen Sie das Heft selbst in die Hand, drehen sie den Spieß um und managen Ihren Chef mithilfe dieser Umsetzungshilfe:

1. Entschlüsseln Sie die Erwartungen Ihres Chefs

Mittwoch in der Chefetage: „Nörzig, ich brauche bis Freitag eine Aufstellung über unsere drei größten Kunden in der Schweiz.“

„Jawohl Chef“, bestätigt Nörzig gegenüber seinem Chef Brüggel. Dann rennt er los, lässt alles andere stehen und liegen und erstellt mit Vertrieb und Controlling eine detaillierte Liste über alle Umsätze in der Schweiz, sortierbar nach Gewinn, Deckungsbeitrag und Entwicklung der letzten Jahre.

Freitag will er sein Werk an Brüggel übergeben:
„Chef, haben Sie zehn Minuten Zeit wegen der Liste?“
„Welche Liste?“
„Die mit den größten Kunden in der Schweiz.“
„Ach die, ja wer sind denn die drei größten Kunden?“
„Ich habe Ihnen eine EXCEL-Datei erstellt …“ Weiter kommt Nörzig nicht.
„Ich wollte keine EXCEL-Datei, ich wollte die Namen der drei größten Kunden!“
„Aber in der Datei können Sie …“ Wieder unterbricht Brüggel.
„Keine EXCEL-Datei, einfach nur drei Namen. Nörzig, können Sie nicht einmal das?“

Nörzig hätte gekonnt. Nörzig kann sogar noch viel mehr, aber Brüggel wollte nicht mehr.

Nörzig hätte die Erwartungen genauer hinterfragen müssen. So hat er zwei Tage das getan, was er für richtig hielt, nicht das, was sein Chef von Ihm wollte. Im Laufe der Jahre lernt man seinen Chef besser kennen und so auch seine Erwartungen. Nur, niemand hat heute drei Jahre Zeit, die Erwartungen seines Chefs zu entschlüsseln.

Nehmen Sie eine Abkürzung: Fordern Sie Ihren Chef auf, seine Erwartungen an Sie zu formulieren. Finden Sie heraus, zu welchem Typ Ihr Chef gehört:

  1. Detailverliebt (Mikromanager) oder strategische Sicht (Makromanager)
  2. Analyseorientiert oder handlungsorientiert
  3. Kontrollorientiert oder Verantwortung abgebend
  4. Bedenkenträger oder positiv optimistisch
  5. Defensiv taktierend oder mit fliegenden Fahnen voraus
  6. Beschäftigungsorientiert oder Ergebnisorientiert
  7. Aufgabenorientiert oder Menschenorientiert
  8. Nutzt Positionsmacht oder überzeugt/lässt sich überzeugen
  9. Quantitativ (Zahlenmensch) oder Qualitativ (Vertrauen in Argumente)
  10. Morgenmensch oder Abendmensch
  11. Bevorzugt schriftliche Kommunikation oder mündliche Kommunikation
  12. E-Mail Nutzer oder direkte Kommunikation bevorzugend

2. Anpassung ohne Selbstaufgabe

Haben Sie die Erwartungen entschlüsselt, so können Sie sich nun an diese halten. Sie bauen in Ihrem Vorgesetzten Vertrauen auf, wenn Sie sich an seinem persönlichen Stil orientieren.Das Leben ist Anpassung. Charles Darwins Beobachtungen zeigen, dass stets die Arten überleben, die sich am besten an ihr Umfeld anpassen. Die Dinosaurier glaubten, dass sie das nicht nötig haben. Das Ergebnis kennen Sie.

Werden Sie nicht zum Dinosaurier, passen Sie sich da an, wo es Ihnen nicht schwerfällt. Aber verbiegen Sie sich nicht. Wenn Sie gegen Ihre Überzeugung agieren, wird Ihr Umfeld das schnell bemerken.

3. Keine Überraschungen

Eine Erwartung wird Ihr Chef nicht äußern, er hat sie trotzdem: Keine Überraschungen!

Und damit sind nicht nur negative Überraschungen gemeint. Auch vermeintlich positive Überraschungen zeigen dem Vorgesetzten, dass er die Situation nicht im Griff hat. Informieren Sie Ihren Chef rechtzeitig über ungeplante Ereignisse. Was „rechtzeitig“ ist? So früh, dass Ihr Vorgesetzter sich noch irgendwie beteiligen kann. Denn nur aus Beteiligten werden Betroffene. Merken Sie sich: Überraschungen gehören auf den Kindergeburtstag nicht in den Unternehmensalltag.

4. Machen Sie Ihren Chef erfolgreich

Sie wollen und können sich nicht anpassen? Dann machen Sie Ihren Chef möglichst erfolgreich! Sie dachten genau anders herum?

Viele Angestellte glauben, sie werden ihren Chef los, indem jeder die Unfähigkeit des Chefs erkennt oder dieser Misserfolge hat. Das ist zu kurz gedacht.

Problem 1: Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter. Alle finden es toll, wie Sie Ihren Chef lächerlich machen. Aber welcher andere Chef will einen Mitarbeiter haben, der seinen aktuellen Chef lächerlich macht?

Problem 2: Welcher Chef will einen Mitarbeiter von einem erfolglosen Chef?

Problem 3: Befördert Ihr Unternehmen erfolgreiche oder erfolglose Chefs? Je erfolgloser, desto länger bleibt Ihr Chef.

Ihre beste Eigenwerbung ist die, dass Ihr Chef erfolgreich ist. Jeder Chef will einen Mitarbeiter, der ihn erfolgreich macht. Und keine Sorge. Andere wissen sehr wohl, warum Ihr Chef plötzlich so erfolgreich ist. Lassen Sie Ihren Chef Ihre Ergebnisse ruhig als die seinen Verkaufen – am Ende ist er wegbefördert und Sie haben freie Bahn.

5. Bauen Sie ein Netzwerk auf

“Beziehungen schaden dem, der sie nicht hat.” Sie steuern Ihren Chef am besten, wenn Sie mehr Informationen haben, als er, wenn Sie mit Leuten sprechen, mit denen er auch mal gerne reden würde und von Menschen gegrüßt werden, die Ihr Chef nicht kennt. Kurz, Sie haben ein ausgeprägtes Netzwerk in Ihren Unternehmen.

Je differenzierter Ihr Netzwerk, desto besser. Fünf Facebook-Freunde in der eigenen Abteilung sind kein Netzwerk. Drei XING-Kontakte auf Ihrer Ebene sind kein Netzwerk. Spinnen Sie Ihren Fäden zwischen Einkauf und Controlling, zwischen Personalabteilung und Produktion. Melden Sie sich freiwillig, wenn interdisziplinäre Teams zusammengestellt werden. Übernehmen Sie repräsentative Aufgaben für das Unternehmen, melden Sie sich als In-Haus-Trainer. Gehen Sie da hin, wo Ihr Chef nicht hingeht und Sie haben immer ein paar mehr Informationen.

Haben Sie kein Netzwerk, dann fangen Sie heute an. Haben Sie endlich ein Netzwerk, werden Sie sich wundern, wie Sie vorher ohne ausgekommen sind.

6. Love it, change it or leave it. Es gibt keine vierte Alternative.

Haben Sie einen Chef, dessen Erwartungen Sie nicht erfüllen wollen oder können? Dann gibt es drei Lösungen, nicht vier.

Love it: Lernen Sie das Verhalten Ihres Chefs zu lieben. Mein Bruder war früher übergewichtig und hasste Sport. Heute ist er topfit und fährt Strecken mit den Fahrrad, die ich nicht einmal mit dem Auto fahren möchte.

Change it: Versuchen Sie Ihren Chef von anderem Verhalten zu überzeugen. Zugegeben, das klingt schwierig, ist aber einen Versuch wert. Und denken Sie daran, Ihre Argumente müssen aus der Wertewelt Ihres Vorgesetzten stammen, nicht aus Ihrer eigenen.

Leave it: Sind Sie von Ihrem Arbeitgeber versklavt, oder haben Sie Ihren Arbeitsvertrag freiwillig unterschrieben? Da Arbeitsverträge heutiger Unternehmensstandard sind, können Sie Ihren Arbeitsvertrag kündigen. Keiner kann Sie zwingen zu bleiben, außer Sie selbst. Sie alleine entscheiden, wen Sie als Vorgesetzten haben!

„Ich will das sich was ändert, aber ich kann der Situation nichts Gutes abgewinnen, kann die Situation nicht verändern und kann aber auch nicht den Arbeitgeber wechseln, da meine Partnerin einen tollen Job in der gleichen Stadt hat.

Es soll schon Leute gegeben haben, die sich waschen wollten, ohne nass zu werden. Das hat auch nicht funktioniert! Erich Kästner hat es einfach und treffend formuliert:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Jo Owen (2007): Manage your boss. Industrial and commercial training; Vol. 39 No. 2 p. 79-84. Emerald Group Pub-lishing Limited.
Enrico Briegert, Thomas Hochgeschurtz (2011): Führung. ikotes-Verlag, Bühl.