Umsetzungshilfe Nr. 83: Strategien zum Fachkräftemangel

Gutes Fachpersonal ist aktuell schwer zu finden. Laut Bundesagentur für Arbeit gab es im November 2017 mehr als 44,7 Mio. Erwerbstätige. Gleichzeitig waren mehr als 700.000 offene Stellen gemeldet. Dauerte es vor zehn Jahren noch durchschnittlich 63 Tage bis eine sozialversicherungspflichtige Stelle besetzt wurde, sind es inzwischen schon 103 Tage (Handelsblatt vom 3.1.2018)

In den kommenden Jahren wird die Anzahl der Personen im Erwerbsalter weiter schrumpfen. Das Statistische Bundesamt umfasst mit „Erwerbsalter“ die Spanne von 20 bis 64 Jahren. 2013 gab es in dieser Altersspanne 49,2 Mio. Menschen. Nach aktuellen Prognosen wird die Anzahl der Personen im Erwerbsalter ab 2020 deutlich schrumpfen und 2030 noch 44 bis 45 Mio. Personen umfassen (Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung).

Selbst eine jährliche Netto-Zuwanderung von 300.000 Personen würde das Schrumpfen der Bevölkerung im Erwerbsalter nicht aufhalten.
Damit wird sich die Suche nach geeignetem Personal weiter erschweren. Offen ist, wie stark und wie schnell die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung (Stichwort: Industrie 4.0) Arbeitskräfte freisetzen wird.

Je knapper die Anzahl der Bewerber, desto wichtiger ist es für Ihr Unternehmen, dass Sie:

  1. Vorteile auf dem Bewerbermarkt haben
  2. selbst erforderliche Fachkräfte ausbilden
  3. die Produktivität Ihrer Mitarbeiter erhöhen
  4. ältere Kollegen weiterbeschäftigen

Ihre Umsetzungshilfe Nr. 83 zeigt Ihnen zu jeder dieser vier Bausteine geeignete Maßnahmen.

1. Vorteile auf dem Bewerbermarkt

Betrachten Sie den Bewerber als Kunden und handeln Sie wie Amazon: machen Sie es dem Kunden einfach, reagieren Sie schnell und bieten sie unkompliziert zusätzlichen Service, den andere sich nicht trauen.

1.a) Machen Sie es Ihren Bewerbern einfach
Fast alle großen Unternehmen zwingen Bewerbern standardisierte Eingabemasken auf. Heben Sie sich ab, und akzeptieren Sie jede Art von Bewerbung. Für den Bewerber ist das Schreiben einer E-Mail einfacher als das Ausfüllen von Eingabemasken. Und wenn Sie individualisierte Bewerbungen zulassen, dann haben Sie sogar gleich eine Arbeitsprobe.

1.b) Bewerbungen individuell und schnell bearbeiten
Zwischen der Eingangsbestätigung (am Tag der Bewerbung) und der Entscheidung über den weiteren Ablauf (Gespräch, Telefoninterview, Absage) sollten nur wenige Tage liegen. In vielen Bereichen des täglichen Lebens sind Menschen sofortige Rückmeldung gewöhnt. Denken Sie dran: die Schnellen fressen die Langsamen. Laden Sie die Bewerber zügig ein.

1.c) Entscheiden Sie sofort
Entscheiden Sie am Tag des Interviews und geben Sie dem Bewerber am Ende seines Besuchs direkt den Vertrag mit. Dadurch entsteht eine emotionale Bindung und Vertrauen.

1.d) Befristete Verträge sind out – Vertrauen Sie Ihren Bewerbern
Würden Sie guten Freunden empfehlen ein festes Arbeitsverhältnis aufzugeben und dafür ein befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen? Warum sollen das Ihre Bewerber machen?
Vertrauen Sie Ihren Bewerbern und bieten Sie unbefristete Verträge an. Heute heben Sie sich darüber von Ihren Wettbewerbern ab. Sollte sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen, dann werden unbefristete Verträge sowieso zum Standard. Und wenn Sie sich wirklich mal vertan haben? In den ersten sechs Monaten gibt es keinen Kündigungsschutz!

1.e) Erleichtern Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Erleichtern Sie Ihren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Immer mehr Tätigkeiten können im Home Office erledigt werden. Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Autonomie über ihre Arbeitszeit, indem Sie auf Zeiterfassung verzichten. Und seien Sie offen für Teilzeit.

Exkurs:
UH30: Fünf Gründe gegen Zeiterfassung www.umsetzungshilfe.de/30
UH31: Vertrauensarbeitszeit einführen www.umsetzungshilfe.de/31
UH74: Vertrauensurlaub www.umsetzungshilfe.de/74

1.f) Kununu
Kennen Sie Ihre Bewertung auf Kununu? Nehmen Sie das Feedback auf Kununu ernst und bitten Sie Ihre Mitarbeiter und Bewerber Ihr Unternehmen zu bewerten.

1.g) Schulen Sie alle am Bewerbungsprozess beteiligten Führungskräfte
Befähigen Sie Ihre Führungskräfte gute Bewerbungsgespräche zu führen. Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte bezüglich der Gefahr des ersten Eindrucks (Ankerfalle). Ihre Führungskräfte müssen offen für Bewerber mit ungewöhnlichen Lebensläufen sein. Wenn die persönlichen Eigenschaften stimmen, dann lässt sich fehlende fachliche Eignung durch Aus- und Weiterbildung beseitigen.

2. Bilden Sie selbst Fachkräfte aus und erhalten Sie die Lernfähigkeit Ihrer Mitarbeiter

2.a) Selber ausbilden
Stärken Sie Ihre betriebliche Ausbildung. Achten Sie bei der Auswahl Ihrer Ausbilder auf sehr gute fachliche und soziale Kompetenz. Machen Sie Ihre besten Führungskräfte zu Ausbildern, nicht denjenigen, der für andere Tätigkeiten nicht taugte. Wechseln Sie regelmäßig den Ausbilder, damit Veränderung in der Ausbildung der Standard ist.

2.b) Weiterbildung & Job-Rotation ist Pflicht nicht Kür
Wenn sich Menschen über einen längeren Zeitraum nicht mehr in neue Aufgaben einarbeiten, verlieren sie die Fähigkeit Neues zu lernen. Und: Sie verlieren das Zutrauen sich in veränderten Situationen bewähren zu können. Durch regelmäßige Job-Rotation erhalten Ihre Mitarbeiter die Fähigkeit und die Bereitschaft zu lernen. Dabei darf das Alter keine Rolle spielen. Job-Rotation muss bis ins hohe Erwerbsalter Standard sein.

Ergänzen Sie Ihr Jahresgespräch mit Ihren Mitarbeitern künftig um die folgenden zwei Fragen:
1. Wie lange führen Sie bereits Ihre aktuelle Tätigkeit aus?
2. Welche Tätigkeit möchten Sie als nächstes lernen?

3. Erhöhen Sie die Produktivität Ihrer Mitarbeiter

3. a) Überflüssige Prozesse streichen – Zeitdiebe eliminieren
Entlasten Sie Ihre Mitarbeiter. Es ist einfacher als Sie denken. Überprüfen Sie alle Prozesse in Ihrem Arbeitsbereich, ob diese kundenrelevant sind. Will der Kunde, dass Sie Arbeitszeit erfassen? Will der Kunde, dass Sie Reiseanträge ausfüllen?

Überflüssig sind alle Prozesse die allein der Verhaltens-Überwachung Ihrer Mitarbeiter dienen. Geben Sie Ihren Mitarbeitern Handlungsspielräume und schaffen Sie lähmende Genehmigungsprozesse ab.

Aber vor allem bekämpfen Sie die Zeitdiebe in Ihrer Organisation. Womit beschäftigen sich Ihre Mitarbeiter den ganzen Arbeitstag? Führen Sie regelmäßig Arbeitszeitanalysen durch, um den strategischen Anteil der aufgebrachten Arbeitszeit zu messen.

  • Arbeiten Ihre Mitarbeiter schon wieder – oder schreiben Sie noch E-Mails?
  • Ist Powerpoint für interne Präsentationen noch erlaubt – oder konzentrieren Sie sich schon auf das Wesentliche?
  • Haben Sie eine produktive Meetingkultur – oder dauert jedes Meeting immer so lange, wie sie ihm Zeit geben?

 3.b) Konzentration auf das Wesentliche – unstrategische Prozesse outsourcen
Ein Prozess ist dann für Ihr Unternehmen strategisch, wenn er Ihnen einen Wettbewerbsvorteil auf einen der relevanten Märkte verschafft. Relevante Märkte sind:

  • Kunden-Markt
  • Lieferanten-Markt
  • Bewerber-Markt

Gerade bei zunehmendem Mangel an qualifiziertem Personal ist es entscheidend, dass sich Ihre Mitarbeiter ausschließlich um strategische Prozesse kümmern. Alle anderen Prozesse schaffen Sie entweder ab, oder falls nicht möglich, kaufen diese zu.

3.c) Produkte prunen: Eliminieren Sie schlechte Produkte oder erhöhen Sie die Preise
Bereinigen Sie regelmäßig Ihr Produktportfolio. Schaffen Sie sich freie Kapazitäten, indem Sie auf Produkte und Dienstleistungen mit unzureichenden Deckungsbeiträgen verzichten. Geben Sie Ihren Kunden eine Chance: Bevor Sie Produkte und Dienstleistungen streichen, prüfen Sie, ob Ihr Markt höhere Preise akzeptiert.

3.d) Automatisieren Sie sich wiederholende Prozesse konsequent
Indem Sie Ihre Standardprozesse automatisieren, erhöhen Sie die verfügbare Kapazität für strategische Aufgaben.

3.e) Erhalten Sie die Motivation Ihrer Mitarbeiter
Motivierte Mitarbeiter sichern Ihnen eine hohe Produktivität bei niedriger Fehlerquote. Vor allem ziehen motivierte Mitarbeiter andere motivierte Menschen an. Sie machen Werbung für Ihr Unternehmen.

Ihr Job als Vorgesetzter ist es, Aufgaben mit hohem Motivationspotenzial anzubieten. Das Motivationspotenzial einer Aufgabe ist umso höher, je bedeutsamer, vielseitiger und ganzheitlicher eine Aufgabe ist, je stärker die Rückmeldung auf die erbrachte Leistung ist und je größer der vorhandene Handlungsspielraum.

Und vermeiden Sie die fünf häufigsten Demotivatoren: mangelnde Anerkennung & Wertschätzung, sinnlose Aufgaben, ungerechte Behandlung & ungerechte Kritik, Fremdbestimmung und mangelnde Unterstützung & Rückendeckung des Vorgesetzten.

3f) Anwesenheit erhöhen – Krankheitsbedingte Fehlzeiten reduzieren
Schaffen Sie eine Anwesenheitskultur. In vielen Firmen ist es selbstverständlich, dass ein Teil der Belegschaft regelmäßig krankheitsbedingt fehlt. Doch je höher der Krankenstand, desto höher die Mehrbelastung für die anwesenden Kollegen.

4. Ältere Kollegen weiterbeschäftigen
Nutzen Sie die Expertise Ihrer erfahrenen Mitarbeiter, indem Sie Berater- oder Teilzeitverträge für Ihre aufgrund des Rentenalters ausscheidenden Mitarbeiter anbieten. Und gestalten Sie diese Verträge sehr flexibel, z. B. ein definiertes Stundenkontingent, statt feste Tage. Denn wer bei Ihnen im Unternehmen gut war, wird auch als Rentner einen vollen Terminkalender haben :-).

Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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