UH35: Täglich eine bessere Führungskraft

UMSETZUNGSHILFE Nr. 35
Täglich eine bessere Führungskraft

 

Juni 2012, Diese UH als PDF downloaden
Wie wird man eine bessere Führungskraft? Übung schlägt Talent, d.h. indem Sie regelmäßig trainieren. Und für den Beginn ist es nie zu früh. Im Gegenteil: Je höher Sie in der Hierarchie aufsteigen, desto weniger Fehler sollten Sie sich erlauben. Sammeln Sie deshalb Ihre Erfahrung so früh wie möglich. Lernen Sie Ihre Handlungen zu reflektieren.

Was ist überhaupt eine gute Führungskraft? Jemand dem es gelingt das Verhalten seiner Mitarbeiter sozial akzeptiert zu beeinflussen. Er erzeugt bei seinen Mitarbeitern Einsicht. Kennzahlen können Sie leicht messen – Einsicht und Akzeptanz Ihrer Mitarbeiter nicht. Hierfür brauchen Sie ehrliche Rückmeldung.

Diese Umsetzungshilfe zeigt Ihnen nützliche Indikatoren und Quellen für ehrliche Rückmeldung zu Ihrer Führungsarbeit.

1. Wie lernen wir?

Sie können aus jeder Handlung lernen, wenn Sie die Ergebnisse der Handlung reflektieren. Gewöhnen Sie sich die Frage an: Was hätte ich (im konkreten Fall) besser machen können?

Zwei Beispiele, wie wir lernen:

Beispiel 1: Kritik-Gespräch mit einem Mitarbeiter, der gestern zu spät zur Arbeit kam

  1. Machen Sie sich vor dem Gespräch bewusst, was Sie in diesem Gespräch erreichen wollen: hier eine Verhaltensänderung des Mitarbeiters, damit er zu spät kommen in Zukunft vermeidet.
    Wann ist es für Sie ein gutes Gespräch?
    Wenn der Mitarbeiter einsichtig ist und durch das Gespräch nicht frustriert wird.
    Überlegen Sie sich einen Plan, wie Sie Ihr Ziel erreichen können. Ein Plan wäre Einsicht durch Fragen zu erzeugen. Sie fangen nicht mit einem Argument, sondern mit einer Frage an.

    Abbildung 1: Lernzyklus in Anlehnung an Kolb
  2. Führen Sie das Gespräch entsprechend Ihres Plans.
  3. Prüfen Sie nach dem Gespräch, ob Sie Ihr Ziel erreicht haben.
    Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Mitarbeiter einsichtig ist? Woran machen Sie die Einsicht fest? Fanden Sie die Atmosphäre des Gespräches angemessen?
  4. Reflektieren Sie Ihren Gesprächsplan.
    Was ist Ihnen im Gespräch gut gelungen? Was ist Ihnen im Gespräch weniger gut gelungen? Warum ist Ihre Plan aufgegangen oder aber nicht? Haben Sie die richtigen Fragen gestellt? Oder warum haben Sie doch argumentiert?
  5. Entwickeln Sie Ihren Plan für Gespräche weiter.
    Was möchten Sie im nächsten Kritik-Gespräch besser machen?
    Mögliche Beispiele: den eigenen Gesprächsanteil reduzieren, sich nicht emotional reizen lassen, sich besser vorbereiten, den Betriebsrat einbeziehen.
    Durch diesen Schritt entwickeln Sie Ihre persönliche Führungstheorie.
  6. Führen Sie das nächste Gespräch mit den geplanten Verbesserungen und starten Sie so einen neuen Lernzyklus.

Beispiel 2: Entscheidung „Beförderung eines Mitarbeiters“

  1. Machen Sie sich die Kriterien Ihrer Entscheidung bewusst.
    Anhand welcher Fakten oder Einschätzungen möchten Sie den geeigneten Mitarbeiter auswählen? Woran messen Sie später, ob Ihre Entscheidung richtig war?
  2. Treffen Sie Ihre Entscheidung anhand der unter 1. definierten Kriterien.
    Dokumentieren Sie für sich Ihre Entscheidung, die Annahmen und Einschätzungen, die zu Ihrer Entscheidung führten.
  3. Prüfen Sie Ihre Entscheidung nach einem geeigneten Zeitraum.
    War Ihre Einschätzung richtig? Sind Ihre Annahmen eingetroffen? Wie haben die Kollegen die Beförderung aufgenommen?
  4. Reflektieren Sie Ihre Entscheidung.
    Haben Sie rückblickend die richtigen Kriterien für Ihre Entscheidung verwendet? Was haben Sie übersehen? Warum? War die Beförderung ausreichend vorbereitet?
  5. Entwickeln Sie Ihre Entscheidungstaktik weiter.
    Welche Kriterien werden Sie bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigen? Wie werden Sie zukünftig Beförderungen vorbereiten oder kommunizieren? Was machen Sie bei der nächsten Beförderung besser?
  6. Sie treffen Ihre nächste Entscheidung anhand der unter Punkt 5. erarbeiteten Verbesserungen und starten Sie so einen erneuten Lernzyklus.

Für die Bewertung Ihrer Handlung ist nicht nur Ihre Einschätzung (Ihr Selbstbild) wichtig. Gleichen Sie Ihr Selbstbild auch mit Fremdbildern ab. Wie haben andere Ihre Handlungen wahrgenommen? Hierzu können Sie die nachfolgend aufgeführten Quellen verwenden.

2. Rückmeldung von Kollegen

Lassen Sie sich von Ihren Kollegen (gleiche Hierarchie-Stufe) ein Feedback geben. Sie können sich dieses Feedback im 4-Augen-Gespräch geben lassen. Oder aber Sie führen mit Ihren Kollegen einen gemeinsamen Eigen-Fremd-Beurteilungsworkshop durch. Auf diesem Workshop vergleichen Sie Ihr Bild über sich selbst mit dem Bild Ihrer Kollegen. Der Vorteil des Eigen-Fremd-Beurteilungsworkshops ist die sehr hohe Informationsdichte, da Sie von vielen Kollegen eine Rückmeldung bekommen. Darüber hinaus werden auch Bewertungsmaßstäbe und Erwartungen transparent.

Eigen-Fremd-Beurteilungsworkshops können Sie auch mit Ihren Mitarbeitern durchführen. Voraussetzung ist hierfür ist eine gute Vertrauensbasis. Gerade bei einer ersten Eigen-Fremd-Beurteilung ist die Rückmeldung der Kollegen offener, als die der eigenen Mitarbeiter.

3. Feedback von den eigenen Mitarbeitern

Lassen Sie sich von Ihren Mitarbeitern regelmäßig Feedback geben. Sie könnten zum Beispiel im Rahmen des Jahresgespräches Ihre Mitarbeiter bitten auch für Sie ein Feedback vorzubereiten. Erwarten Sie am Anfang nicht zu viel. Mit großer Wahrscheinlichkeit hören Sie nur positives. Warum soll der Mitarbeiter Kritik üben? Er sieht dabei ein Risiko aber wenig Nutzen. Das nötige Vertrauen braucht Zeit und gute Erlebnisse.

Sie können es Ihrem Mitarbeiter durch projektive Fragen einfacher machen, Verbesserungsvorschläge zu äußern. Sie könnten zum Beispiel fragen: „Wenn du meine Funktion hättest, was hättest du anders gemacht?“ Eine andere bewährte Frage ist: „In welchen Situationen hast du dich über mich geärgert?“

Vielleicht fällt es Ihren Mitarbeitern einfacher, wenn sie sich gemeinsam als Gruppe anonym überlegen dürfen, womit sie zufrieden und womit sie weniger zufrieden sind. Die Gruppe präsentiert Ihnen dann gemeinsam das Ergebnis. Wenn Sie professionell mit dieser Rückmeldung umgehen, dann werden die Rückmeldungen mit der Zeit offener – auch in der täglichen Zusammenarbeit.

4. Betriebsrat als Advocatus Diaboli

Gerade wenn man neu eine Führungsaufgabe übernimmt kann der Betriebsrat eine sehr hilfreiche Ressource eigener Weiterentwicklung sein. Suchen Sie regelmäßig das Gespräch mit dem Betriebsrat und bitten Sie ihn, Ihnen seine Sicht der Dinge über die Stimmung in Ihrem Team zu schildern. Fragen Sie ihn, wie er Ihre Führungsarbeit wahrnimmt oder welche Tipps er für Sie hat. Der Betriebsrat kann Ihnen allerdings oft nur Stimmungen beschreiben – weniger konkrete Beispiele, da er seine Informanten schützen muss.

5. Den eigenen Chef nicht vergessen

Einsichtige Mitarbeiter die Sie akzeptieren sind eine gute Basis. Aber nur dann, wenn Sie die Erwartungen Ihres Vorgesetzten erfüllen. Kennen Sie die Erwartungen Ihres Vorgesetzten? Wenn nein, dann machen Sie sich auf die Suche. Tipps zu Erwartungen bekommen Sie in der UH33: „Führen mit Erwartungen“, Tipps, wie Sie den eigenen Chef managen in der UH37: „Den eigenen Chef führen.“

6. Indikatoren guter Führung

Alle loben Sie, und Sie haben trotzdem den Verdacht, dass etwas nicht stimmt? Nutzen Sie den objektiven Maßstab für die Motivation in Ihren Team: beobachten Sie die Entwicklung der krankheitsbedingten Abwesenheit. Steigende Fehlzeiten zeigen zunehmende innere Kündigung im Team an. Und den größten Einfluss auf die Motivation und Zufriedenheit hat der unmittelbare Vorgesetzte.

Weitere Kennzahlen sind unerwünschte Fluktuation, d.h. Leistungsträger verlassen freiwillig Ihr Team oder gar das Unternehmen. Aber auch Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen geben Hinweise. Der Nachteil dieser Indikatoren: sie sind sehr träge und eine Trendumkehr nur mit hohem Einsatz erreichbar. Denn zerstörtes Vertrauen lässt sich nur mühsam reparieren.

7. Ein letzter Tipp zum ehrlichen Feedback

Sie wollen wirklich ehrliches Feedback?

Achtung; das ist nicht immer angenehm! Aber Konditionstraining ist auch nicht angenehm und trotzdem sehr nützlich! Also, bedanken Sie sich für Feedback, vor allem für kritisches Feedback. Vermeiden Sie in jedem Fall Rechtfertigungen. Es spielt keine Rolle was Sie in einer konkreten Situation beabsichtigt hatten, Ihr Gegenüber spricht alleine darüber wie dieser Sie wahrgenommen hat.

Prüfen Sie, ob auch das kritische Fremdbild zu Ihren Zielen passte. Wenn Sie bewusst autoritär entscheiden wollten, dann entsteht durch Feedback wie: „Chef, Du hast ohne uns zu fragen entschieden“, kein Änderungsdruck.

Überprüfen Sie eventuell noch, welchen Schaden Sie mit Ihrer Vorgehensweise angerichtet haben. Und ob Sie diesen Preis zahlen wollen. Anders würde es aussehen, wenn Sie eigentlich sehr kooperativ führen wollten und Sie dieses Feedback bekommen. Dann haben Sie mit Ihrem Führungsverhalten nicht Ihr Ziel erreicht. Eine Änderung Ihrer Führung ist dann erforderlich.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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Ressourcen:
Briegert, Enrico und Hochgeschurtz, Thomas (2011): Führung, ikotes-Verlag, Bühl.
Kolb, D. A. (1984): Experimential Learning, Englewood Cliffs, NJ.: Prentice Hall.