UH41: Führen mit Kennzahlen

UMSETZUNGSHILFE Nr. 41
Führen mit Kennzahlen

Dezember 2012, Diese UH als PDF downloaden
Was wollen Sie von Ihren Mitarbeitern, Zeit oder Leistung? Wer Zeit misst, bekommt Zeit. Wenn Sie Leistung wollen, sollten Sie Leistung messen. Hierfür benötigen Sie Kennzahlen: Diese sollen schnell und einfach den IST-Zustand und den SOLL-Zustand beschreiben.

Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es wenige, aber aussagekräftige Kennzahlen zu definieren. Diese Umsetzungshilfe hilft Ihnen beim Führen mit Kennzahlen.

1. Drei goldene Regeln

  1. Du bekommst, was Du misst: Darin steckt auch eine Gefahr!
  2. Nicht jedes Jahr eine neue Sau: Halten Sie an Kennzahlen fest. An sich ständig ändernde Kennzahlen und Messverfahren, kann sich keiner ausrichten. Akzeptieren Sie, dass jede Kennzahl Schwächen hat. Diese Schwächen lassen sich durch ständiges verändern der Kennzahl auch nicht vermeiden.
  3. Ihr Kennzahlensystem muss mehrere Perspektiven haben: Eine Kundensicht (z. B. Reklamationen, Liefertreue), eine Mitarbeitersicht (z. B. Arbeitssicherheit, Anzahl Mitarbeiter, Krankenstand) und eine Unternehmersicht (z. B. Umsatz, Gewinn, Produktivität). Verschaffen Sie sich ein taugliches Gesamtbild.

2. „Wenn die Prämie stimmt, stimmt auch die Leistung!“ Leider falsch

Führen mit Kennzahlen ist das eine, Prämien bei Zielerreichung etwas anderes. Die Idee: Der Mitarbeiter wird durch die Aussicht auf eine Prämie zu höherer Leistung motiviert. Doch die Gefahren für das Gesamtunternehmen sind bei solchen „variablen Entgelt Systemen“ erheblich. Die folgende Tabelle zeigt das nachvollziehbar auf:
Beim Führen mit Zielen gibt es am Jahresende vier mögliche Zustände. Einerseits hat der Mitarbeiter sein Ziel erreicht oder nicht. Auf der anderen Seite hat der Mitarbeiter für die Erreichung seines Ziels gearbeitet oder nicht.

Kennzahl erreicht Kennzahl nicht erreicht
Für die Kennzahl gearbeitet Laughing

!

Für die Kennzahl nicht gearbeitet

?

Frown
  • Laughing: Der einfachste Fall: derjenige der das Ziel erreicht hat und dafür gearbeitet hat wird be-lohnt. Das akzeptiert jeder.
  • Frown: Ebenfalls einfach: derjenige der das Ziel nicht erreicht hat und nicht dafür gearbeitet hat wird bestraft (sein variables Entgelt gestrichen). Das akzeptiert auch jeder.
  • ?“: Der scheinbar einfache Fall: der Mitarbeiter hat sein Ziel erreicht – aber er hat dafür nicht gearbeitet.
    Typisch im Vertrieb, wo z. B. zwei Werke eines Kunde zusammengelegt werden. Zusätzlicher Umsatz für den entsprechenden Regionalleiter ohne jeglichen Beitrag. Als Bonus für den besten Regionalleiter war eine Woche Karibik ausgelobt! Was tun? Die Reise an den unverdienten Regionalleiter geben, oder nicht? Wenn Sie zahlen, freut sich zwar der Betroffene, doch alle Laughing Kandidaten, die für Ihr Ziel gearbeitet haben, hätten Sie dadurch demotiviert.
  • !“: Noch besser funktioniert die Demotivation durch Prämien, wenn der Mitarbeiter am Ziel gearbeitet hat, aber am Ende durch einen dummen Zufall gescheitert ist.
    Der Vertriebsmitarbeiter einer Krankenkasse hat das ganze Jahr einen super Job gemacht und steht kurz davor, als bester Bezirksleiter die Karibikreise zu gewinnen. Da gründet ein großes Unternehmen eine Betriebskrankenkasse und er verliert 15% seiner Versicherten.

Das Problem: Bekommt der Mitarbeiter die Prämie trotzdem– sind die demotiviert, die sich angestrengt und das Ziel erreicht haben (Laughing-Fall). Bekommt der Mitarbeiter die Prämie nicht – ist er demotiviert, weil Glück mehr zählt als Leistung.

Überhaupt lernen alle Mitarbeiter, die die Prämie nicht erhalten (Frown-Fall und „!“-Fall) schnell: Wenn individuelle Zahlenziele entgeltwirksam sind, hat der Mitarbeiter die Wahl: Entweder er kämpft am Tag der Zielvereinbarung für niedrige Ziele oder an seinen 220 Arbeitstagen um herausfordernde Ziele zu erreichen. Sie haben intelligente Mitarbeiter. Diese werden nach Zielverfehlung in Zukunft für niedrige Ziele kämpfen. Ist das Ihr Ziel bei den Mitarbeitern?

3. Wenn Unternehmen die Entgelthöhe an Kennzahlen koppeln wollen, empfehlen sich kollektive Prämien.

Ein Unternehmen zahlt seinen Mitarbeitern 400,- € individuelle Jahresprämie, wenn diese keine Tag arbeitsunfähig waren. Was macht der Mitarbeiter der unverschuldet durch einen Verkehrsunfall eine Woche arbeitsunfähig war? Er holt sich „seine“ Prämie auf einem anderen Weg. Durch weitere Fehltage.

Ein Unternehmen zahlt allen Mitarbeitern 400,- €Jahresprämie, wenn der Krankenstand mit Lohnfortzahlung unter 3,7% bleibt. Nun ist der unverschuldete Verkehrsunfall kein Problem.

4. Vorsicht bei interne gemessenen Kennzahlen

Wer misst die Kennzahl?

Ein Beispiel: Wir waren in einer Zentralwerkstatt mit 200 Handwerkern. Diese Werkstatt ist für die Instandhaltung der LKWs des Unternehmens verantwortlich. Direkt am Eingang, sichtbar für alle Kunden und Vorgesetzten wurde jede Verbandsbucheintragung mit einem roten Kästchen dargestellt. Wir standen im Oktober vor dieser Schautafel. Ein einziger Verbandsbucheintrag war dokumentiert.

Wie wurde dieses Ergebnis erreicht?

Eine Variante – die Handwerker in dieser Werkstatt arbeiten überdurchschnittlich sicher. Eine andere Variante: die Handwerker wussten, dass diese Kennzahl die volle Aufmerksamkeit des Managements hat. Bevor komische Fragen kommen, sorgen sie dafür, dass die Kennzahl „stimmt“.

Die Anzahl der Verbandsbucheinträge ist eine interne Kennzahl, d.h. diejenigen die die Kennzahl messen, messen ihr eigenes Sicherheits-Verhalten. Wenn negative Kennzahlen nicht erwünscht sind, gibt es bei internen Messungen auch keine!

Die Lösung: Verwenden Sie externe Kennzahlen. Beispiele dafür sind: Anzahl der Unfälle mit Ausfalltag anstelle von Verbandsbucheintragungen, Reklamation vom Kunden anstelle interner Sperrungen.

5. Verstehen die Mitarbeiter die Kennzahlen?

Verstehen die Mitarbeiter in der Produktion ihre Kennzahl für Produktivität? Fragen Sie nach, gehen Sie in die Fertigung und fragen Sie fünf Mitarbeiter wie die Kennzahl definiert ist und wie jeder einzelne Mitarbeiter diese Zahl beeinflussen kann. Nur verstandene Kennzahlen beeinflussen Verhalten.

6. Wie können die Mitarbeiter die Kennzahl beeinflussen?

Wie misst man Produktivität? Eine häufige Variante: Anzahl der Teile pro geleistete Mitarbeiterstunde.

Beispiel: In einer Schicht fertigt das Team 3.200 Teile. Im Team sind vier Kollegen beschäftigt und die Schicht dauert acht Stunden. Damit ergibt sich für die Produktivität: 3.200/(4*8) = 100 Stück je geleistete Mitarbeiter-Stunde. Plötzlich bricht ein wichtiger Kunde weg. Es müssen nur noch 2.400 Teile gefertigt werden. Was passiert jetzt mit der Produktivität? Wie kann das Team die Produktivität konstant halten?

Wenn anstelle der vier nur drei Kollegen zur Schicht erscheinen gilt für die Produktivität: 2.400/(3*8) = 100 Stück je geleistete Mitarbeiterstunde. Nur wo ist der vierte Mitarbeiter geblieben? Tatsächlich ist die Produktivität nur dann stabil gehalten worden, wenn der vierte Mitarbeiter seinen Urlaub vorgezogen hat oder in eine andere Abteilung gewechselt ist. Da kurzfristig keiner Urlaub möchte oder geschweige denn in eine andere Abteilung ausgeliehen werden möchte, landet ein Mitarbeiter auf den Gemeinkosten oder wird krank. Jetzt stimmt die Produktivität wieder!

Wie sollte man obige Kennzahl verändern, um keine falschen Anreize zu setzen? Man könnte beispielsweise Teile pro Mitarbeiter messen. Schließlich ist es für die Kosten unerheblich, ob der Mitarbeiter arbeitet, im Urlaub ist oder gar arbeitsunfähig ist.

7. Unterstützt die Kennzahl die Strategie Ihres Unternehmens?

Beachten Sie, ob die ausgewählte Kennzahl Ihre Unternehmensstrategie unterstützt. Eine Produktivitätskennzahl die Anzahl der Teile pro Mitarbeiter misst, ist gut für eine Kostenführerstra-tegie. Basiert die Wettbewerbsfähigkeit aber z. B. auf Flexibilität und Kundennähe, wäre eine solche Produktivitätskennzahl kontraproduktiv. Denn stärkere Ausrichtung zum Kunden reduziert oft die Menge pro Fertigungslos. Geeigneter wäre dann:

Erlös in € pro Mitarbeiter.

Mit dieser Kennzahl könnte das Team auch höhere Rüstzeiten ertragen – da sich der Mehraufwand in Flexibilität auch in höheren Erlösen bemerkbar machen muss.

Viel Erfolg bei der Umsetzung, denn: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Erich Kästner)

 

Viel Erfolg bei der Umsetzung! Enrico Briegert & Thomas Hochgeschurtz

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